In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt
Sommer ist: Sie liebt die höchsten Temperaturen, er träumt von einem ewigen Frühling.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Andere sind gegen Pollen allergisch, er will sich mit Wärme nicht arrangieren.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Während ich den Sommerbeginn feiere, faselt der Mann nebenan wirres Zeug. Etwa, dass er diese Jahreszeit irgendwie schon mag, aber auch wieder nicht. Weil so was wie ein ewiger Frühling viel, viel besser wäre. So betrachtet, ist sein aktueller Geisteszustand von Donnergrollen und Überschwemmungen geprägt.

Hitz-Kopf

Andere sind gegen Pollen allergisch, er will sich mit Wärme nicht arrangieren. Also stöhnt er und macht, was Hitz-Kopf am besten kann: sich im Schatten-Dasein bemitleiden, laut und langatmig. Dazwischen hechelt er relativ kurzatmig nach Spritzwein: Geh Schatzi, wenn ich jetzt aufsteh’, wird mir schwarz vor den Augen, kannst du schnell? Und so warte ich jedes Jahr in den Hundstagen darauf, dass er endlich vom gemeinsamen Schlafzimmer in den Eiskasten zieht. Tut er leider nicht. Stattdessen macht er mich schlaflos, weil er im Bett mit sich selbst spricht. Und sich als Gutenacht-Geschichte erzählt, dass er „wegen dieser Scheißhitze“ sogar hinter den Ohren und in der Kniekehle schwitze. Die fatale Folge: Er beschimpft den unerträglich heißen Polster und nimmt alle fünf Sekunden eine gewaltsame Lageveränderung vor. So heftig, dass nicht nur die Seismografen auf der Hohen Warte auszucken, sondern auch die Mitbewohner. Außerdem ist er an Sommerabenden schweigsamer als an Winterabenden. Lange habe ich das mit fehlenden Fußball-Highlights in Verbindung gebracht, heute bin ich mir sicher: Er heckt im Geiste das Gelsenvernichtungsprogramm „Stich langsam – ein guter Tag zum Sterben“ aus. Eine schlagende Rolle spielt darin er, denn der Mann nebenan wähnt sich diesbezüglich als „Most-sexiest-Man-alive“ (in der Welt der Stechmücken, wo sonst?). Meine Conclusio: Der Sommer wird überschätzt.

Twitter: @GabrieleKuhn

facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Es ist nichts Böses daran,Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad zu lieben, und jene zwischen 30 und 35 zu verabscheuen. Das soll doch bitte jeder Mensch so empfinden, wie er will. Und wenn ich daher gelegentlich die Hitze beklage, finde ich Sätze wie „Ich weiß nicht, was du hast, mir taugt’s“ oder „Du Hysteriker“ verzichtbar. Denn ich, als leidenschaftlicher Schattenmann, weiß nun einmal, dass ich bei tropischen Verhältnissen schlechter denken, schlechter arbeiten, schlechter schlafen kann. Und ja, ich gebe es ehrlich zu: Ich hasse warme Kopfpolster! Es ist mir völlig unmöglich, mich mit einem Satz heißer Ohren ins Traumparadies zu verabschieden.

Attacken

Umso empfindlicher bin ich daher auch in Anwesenheit von stechendem Getier. Zumal es ein partnerschaftliches Naturgesetz ist, dass sich das Gelsenpack mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit immer nur auf einen der beiden stürzt. In unserem Ehefall bin das ich. Und während gnä Kuhn unbehelligt an ihrem G’spritzten nippt und launige Anekdoten über ihren sommerlichen Seelenfrieden erzählt, mutiere ich regelmäßig zu einem unwürdigen Männermix aus John Rambo und Mr. Bean. Der wild fuchtelt, um sich schlägt, und am liebsten in einer Rüstung die Beine hochlagern würde. Daher schleppt die Liebste stets neue Sprays, Kerzen und Räucherstäbchen an, deren einziger Effekt die Effektlosigkeit ist. Ich kann sie richtig hören, die Monster, wie sie sich vor lauter Lachen auf ihre Gelsenschenkel hauen, um dann mit Tränen in den Augen die nächste Attacke auf mich zu fliegen. Und noch etwas höre ich: „Nicht kratzen!“ Dann sage ich nur: „Tut mir leid, Schatz, ich wollte dich nicht stören.“

Unsere nächste Lesung: Am 5. Juli (20 Uhr) in Leobersdorf.

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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