Arrogant und oberzynisch

Arrogant und oberzynisch
Charakterfragen. Eine kleine Zurechtweisung anlässlich einer großen Zurechtweisung.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Je länger die Partnerschaft, desto mysteriöser die Partner und desto größer die Verwirrung.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Aus der Reihe "scharfe Ermahnungen". Leserin Susanne L. empört sich. Und zwar sehr. Ich sei – ob meiner offensichtlichen Feindseligkeit das Rund, den Rasen und den Mann nebenan betreffend – eher das Vorletzte. Nämlich: arrogant, herablassend, oberzynisch, boshaft, gehässig, herabwürdigend, dümmlich, extrem unfair und voll!kommen! un!nötig! Kleiner Einschub: Geehrte Leserinnen und Leser, falls Ihnen zu dieser charmanten Reihe etwas fehlt – nur zu.

Benimmregeln

Im gleichen Atemzug legt die Dame mir ans Herz, ich solle es wie sie halten. Sie, deren verblichener Gatte stundenlang Radrennen im Fernsehen zusah. Sie, die "ihm dieses Hobby ohne Sarkasmus gönnte." Sie, die mir nahelegt, "während stundenlanger TV-Übertragungen nicht ständig zu quengeln, keine unsinnigen und unnötigen, abschätzenden Bemerkungen zu machen und ihm zuzuhören, wenn er das Bedürfnis verspüre, mir etwas davon zu erzählen – Partnerschaft eben, wovon Sie ja doch so viel verstehen!"

Ich gehe davon aus, dass es Frau Susanne L. und ihr dramatisches Ehe-Manifest tatsächlich gibt – entgegne also hiermit: 1.) Liebe Frau L., ich habe nie behauptet, dass ich von "Partnerschaft so viel verstehe". Ich fürchte nämlich Folgendes: Je länger die Partnerschaft, desto mysteriöser die Partner und desto größer die Verwirrung – doch gerade das macht Liebe zu dem, was sie ist: zu einem Wunder. 2.) Der Mann nebenan wird dem selbst etwas hinzufügen wollen, aber, hm, vielleicht ist mein "Quengeln" schlicht Ausdruck einer eigenen Haltung. Ein partnerschaftlich einheitlicher Meinungs-Brei ist schlimmer als Dinkelzwieback ohne Salz. 3.) Und sonst? Halte ich es – paartherapeutisch ein wenig inkorrekt – mit Zsa Zsa Gabor: "Natürlich muss man die Männer nehmen, so wie sie sind, aber man darf sie nicht so sein lassen."

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich schon auch ein bisserl Freude hatte mit dieser heftigen Zurechtweisung. Meine Frau las mir den Text laut und sehr betont vor, und am Ende lächelte ich sie an und sagte: "Na, bitte, Schatz, nimm' das." Und ich fügte noch hinzu: "Es ist ja nur schade, dass die Wörter hinterlistig, polemisch und herzlos nicht vorkommen." Die nämlich treffen genauso zu wie noch hundert andere ähnlich böse Begriffe. Welche vor allem einen speziellen gemeinsamen Charme haben: Sie bestätigen mich in meiner allzu oft völlig verkannten Rolle als männliches Opfer.

Zuspitzung

Andererseits kann es in regelmäßigen Abständen auch nicht schaden, das Wesen dieser Paar-Kolumne noch einmal ein wenig zu definieren. Mit dem wohl wichtigsten Gedanken vorweg: Es gäbe sie mit Sicherheit gar nicht, träfe die Charakterisierung von Frau Kuhn tatsächlich zu. Dann wäre es wahrscheinlicher, dass ich statt über einem launigen Zeitungsspalterl eher über den Rechnungen von Therapeut und Scheidungsanwalt brüte.

Faktum ist hingegen, dass der öffentliche Austausch von Meinungen Übertreibung, Zuspitzung, Ironisierung braucht (von der aber selbstverständlich meine Frau viel mehr Gebrauch macht, weil: Ich muss ja im Grunde nur unsere Realität so pointiert wie möglich abbilden). Faktum ist außerdem: Grenzenlose Harmonie und immerwährendes Verständnis würde bei uns beiden am Ende vermutlich nur zu einem führen: Zu einem nie dagewesenen Streit, wer von uns als Erster davonrennen darf. Und Faktum ist vor allem: Die arrogante, boshafte und gehässige Gabriele Kuhn ist in Wahrheit gar nicht so arg. Sie kann gelegentlich sogar recht nett sein. Oder oft so, dass ich mir denke: Sapperlot, immer noch eine Frau zum Verlieben!

Twitter:@MHufnagl

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