Allerlei Tischreden

Allerlei Tischreden
Geschmackssache.Wo gegessen und getrunken wird, dürfen Beurteilungen nicht fehlen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Er tut es gerne, lässt das Lächeln fallen wie ein Nüsschen, das zu Wein gereicht wird.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

S wie süffisant – das fällt mir aktuell zum Mann nebenan ein. Dazu die Begriffserklärung aus dem Duden: „Süffisant – ein Gefühl von [geistiger] Überlegenheit genüsslich zur Schau tragend, selbstgefällig, spöttisch-überheblich. Sinnverwandte Wörter: anmaßend, arrogant, dünkelhaft, blasiert, gönnerhaft. Beispiele: Mit süffisanter Miene, süffisant lächeln.“ Super Stichwort. Das kann er. Besser als essen oder kärchern. Er tut es gerne, lässt das Lächeln fallen wie ein Nüsschen, das zu Wein gereicht wird. Nichtssagend, aber Bände sprechend. So, dass ich, die Belächelte, das Gefühl entwickle, „Volldolm of the Moment“ zu sein.

Eine Farce

Anlässe dafür gibt es aus seiner Sicht zahllose. Etwa, wenn ich mir im Restaurant mein Lieblingsessen bestelle: Salat mit Hühnerstreifen. Und vorab Prosecco, in Rosé gehalten. Er sagt dann nichts – aber an seinem Lächeln und an den Augen sehe ich, was er denkt: „Hühnerstreifen, wie lachhaft. Kein Essen, sondern eine Farce. Wetten, sie wird trotzdem was davon überlassen? Und hätte es keine Hühnerstreifen gegeben, dann hätte gnä Kuhn fix Tomaten mit Mozzarella bestellt – und dazu kein Brot.“ Außerdem: Prosecco. Pro-Se-cco! Noch dazu in Rosa gehalten! Kein Getränk, sondern ein Affront in seinem Krügel-Kosmos. Genauso wie Ingwertee, den ich mir zuweilen bestelle, wenn es mich fröstelt. Oder Latte macchiato, den er für ein ungenießbares Milchmixgetränk hält, das man eigentlich nur in Schnabeltassen reichen darf. Weil einer wie er, also ein richtiger Mann, nur Espresso an seine Magenschleimhaut lässt. Ein letzter Ausflug in den Duden, wo allerlei Gegenwörter zu „süffisant“ angeführt werden: „freundlich, normal“, zum Beispiel. Also ich.

Twitter: @GabrieleKuhn

facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Der Charme der Süffisanz ist: Sie ist stets mit einer feinen Prise Humor gewürzt. Und die einzigen, die das bestreiten, sind klarerweise die Betroffenen – also in diesem Fall jene Menschen, die ernsthaft die Meinung vertreten, Prosecco könnte jemals etwas anderes sein als ein sprudelnder Anlass zum Schaumweinen. Oder jene, die sich wie meine Frau (kein Schmäh!) kaltes Bier mit warmem Leitungswasser aufspritzen. Also echt, wer da noch schweigt ... ! Aber wie sich die Leserschaft dieser Kolumne denken wird, ist letztendlich jede meiner noch so beiläufigen Bemerkungen über eigenwillige Tischgewohnheiten der Liebsten ein Feuerwerk der despektierlichen Kleinkunst.

„Michaeeel!“

Sie hingegen bemüht sich gar nicht erst um den einen oder anderen launigen Zwischenton in der Beurteilung meiner Bestellung. Nein, gnä Kuhn bevorzugt in Mimik und Wort die simple Anklage. In dem Glauben, dass sie am besten weiß, was gut für mich, die Männer und überhaupt für die gesamte Menschheit ist. In diesem Sinne verdreht sie die Augen, schürzt die Lippen, schüttelt den Kopf. Weil entweder „schon wieder ein Cordon Bleu?“ oder „nicht so viel Salz!“ oder „das Gemüse tät’ dir nicht schaden!“ Sowie das immer häufiger werdende „Michaeeel!“, sobald ich zur Dessertkarte greife. Zu diesem Zeitpunkt ist sie nämlich meistens schon grantig, weil ich ihr zuvor angewidert die Tomatenscheibe, dieses Gatschsymbol für Garnitur-Unwesen, auf ihren Teller geschupft habe. Dann sagt sie: „Hysteriker!“ Und ich: „Stimmt. Vielleicht bin ich als Kind in ein Prosecco-Fass gefallen.“

Unser nächster Auftritt: Buchpräsentation von „Du machst mich wahnsinnig“ am 30. August auf der Wiener Summerstage. Alle Herbsttermine finden Sie auf www.paaradox.at.

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

Kommentare