Sie schätzte intelligente Aufmüpfigkeit.

von Guido Tartarotti

über Pippi Langstrumpf und eine praktische Ärzte-Großmutter.

Die Großmutter war von Beruf praktische Ärztin, und zwar im doppelten Wortsinn: Sie liebte das Praktische und hasste Hysterie, Esoterik und Selbstmitleid. Sie kurierte Leiden und Verletzungen mit Aspirin, einem Hansaplast und der aufmunternden Diagnose: „Das ist ja keine Affär’.“ Wenn sich ein Patient bei ihr mit Überempfindlichkeiten wichtigmachen wollte, konnte sie ziemlich streng werden – und genau deshalb mochten sie die Leute.

In ihrer Tasche führte sie neben Abhörgerät und Zungenspatel immer Mannerschnitten und eine Flasche Cola mit sich, womit sie Patienten, Enkel und manchmal auch die Esel im Sparbacher Tiergarten fütterte (da niemand täglich auf die Großmutter traf, nahm niemand an dieser Diät ernsthaften Schaden). Und sie las mit Begeisterung Bücher von Christine Nöstlinger und Astrid Lindgren vor (den Enkeln, nicht den Patienten und Eseln).

Vor genau 70 Jahren erschien „Pippi Langstrumpf“. Eine Figur ganz nach dem Geschmack der Großmutter. Denn sie war zwar konservativ, aber sie schätzte intelligente Aufmüpfigkeit.

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