Lasst Taubsi sitzen

"Ups, Entschuldigung." Diese Aussage habe ich in den letzten Tagen öfter zu hören bekommen. An die gesenkten Köpfe und den starren Blick aufs Handy habe ich mich mittlerweile ja gewöhnt. Aber jetzt: Auflaufunfall durch plötzliches Anhalten am Gehsteig, schnell die Straßenseite oder die Richtung wechseln oder kurz gesagt: nichts und niemanden aus seiner Umgebung wahrnehmen außer Taubsi, Rattfratz, Pikachu und Co. – die kleinen Taschenmonster, die es mit dem Handy zu fangen gilt.

Das neue Spiel Pokémon Go hat die Straßen erobert und ist zum Kult geworden. Selbst Erwachsene können sich dem Hype um das Handyspiel nicht entziehen. Erst vor wenigen Tagen pirschte sich ein Kollege von hinten an mich heran. "Aus dem Weg, auf deiner Tastatur sitzt Taubsi."

Ich gebe zu, ich kann mit dem Spiel nichts anfangen. Vielleicht weil ich zu alt bin – obwohl, mein spielender Kollege ist älter – vielleicht aber auch, weil ich mich nicht noch mehr mit meinem Handy beschäftigen will, als ich es eh schon tue. Denn Facebook und Co. sind schon jetzt meine täglichen Zeiträuber. Wenn ich dann auch noch Taschenmonster jage, was bleibt da vom real life noch übrig?

"Hauptsache die Kinder sind an der frischen Luft", hätte meine Oma gesagt. Ja, da ist ein Fünkchen Wahrheit dran. Aber an der frischen Luft können und sollten Kinder ganz andere Dinge machen, als unentwegt in das Handy zu starren: Fußball spielen, Herumtoben, Radfahren und und und. Dafür braucht es kein Handy. Dafür braucht man Freunde. Denn zusammen macht es ja bekanntlich mehr Spaß. Und das Wichtigste dabei: miteinander reden. Im real life und nicht über WhatsApp, Messenger und Co.

Wie hat meine Oma immer gesagt: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Soziale Interaktion beginnt im Kindesalter und ist der Grundstein für soziale Kompetenz im Erwachsenenalter. Also Kinder: lasst Taubsi und Co. sitzen wo sie wollen und spielt lieber Abfangen wie anno dazumal.

eMail: natascha.marakovits@kurier.at