Mimis realistische kindische Männer

Szenenbild aus "La Boheme".
Martina Salomon über das geschlechtsneutrale Mist-Problem.
Martina Salomon

Martina Salomon

Ein Bild vom heurigen Festspiel-Sommer, das vielleicht noch länger in den Köpfen der Zuschauer hängenbleibt: Anna Netrebkos Mimi in „Boheme“ in der grotesk zugerümpelten Künstler-Wohngemeinschaft. Den Großfürsten des Feuilletons (so auch des KURIER) missfiel das Bühnenbild. Die Frauen meines näheren Bekanntenkreises, vor allem jene, die mit Mann und Söhnen zusammenleben, fanden es hingegen durchaus realistisch: So schauts eben aus in frauenlosen Wohnungen, so ihr nüchternes Urteil.  Müll rausbringen, Bettwäsche wechseln, Blumen gießen? Tätigkeiten, die anscheinend sowohl unter der Wahrnehmungsschwelle als auch unter der Würde junger wie älterer Herrn liegen

Die Front der Mädchen-Eltern wendete allerdings ein, dass  die jungen Damen da durchaus ebenbürtig seien. Wer über einen guten Magen verfüge, möge  sich doch bitte mal im Jugendzimmer des Fräulein Tochter umsehen. Ich lerne: Das Mist-Problem scheint mittlerweile geschlechtsneutral und weit verbreitet zu sein.

Wer will schon erwachsen sein? Dafür bleibt das Peter Pan-Prinzip wohl weiterhin eher männliche Domäne.  Kennen denn nicht auch Sie dem Sneakers-Alter längst entwachsene Mannsbilder, die gar keinen Bock aufs Erwachsenenleben haben, ewig Kindsköpfe bleiben, immer nur um sich selbst kreisen? So ließ das über fünfzigjährige Herzblatt von Freundin N. nach einjähriger Beziehung ausgerechnet im Urlaub wissen, dass er noch nicht bereit sei für eine Bindung ohne Seitensprünge. Vernünftigerweise ergriff sie daraufhin die Flucht.

Dieser Nichtsnutz fiel mir ein, als ich Mimis Freunde in kindischen Polsterschlachten verwickelt auf der Bühne sah. Liebe Kulturkritiker, der Regisseur hat sich halt einfach im richtigen Leben umgesehen!

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