Die Zähmung der Bestie

Martina Salomon über kuschelige Kampfhunde.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wenn mein Eindruck nicht täuscht, dann gibt’s  immer mehr Kampfhunde in der Stadt. Auf meiner Joggingrunde treffe ich gelegentlich eine Hausfrauen-Gruppe an der Leine solcher leicht furchterregender Tierheim-Bewohner auf Freigang. Wer hier wen ausführt, ist nicht klar ersichtlich. Sie – die Hunde  – wirken noch weniger vertrauenswürdig als andere ungezogene Großstadt-Fluffis, die sich Läufern gern quer in den Weg stellen, haben aber sicherheitshalber einen Maulkorb umgeschnallt. Die Gelegenheits-Gassigeherinnen hegen offenbar Zweifel an der Sozialverträglichkeit ihrer Begleiter. Wahrscheinlich zu Recht.

Kampf- statt Schoßhund

Denn das Kunststück, das Freundin E. vollbracht hat, ist kaum zu kopieren. Ins Tierheim ging sie mit der festen Absicht, ein unkompliziertes mittelkleines Hunderl zu adoptieren. Heraus kam sie zum Entsetzen ihres frisch angetrauten Ehemannes in Begleitung eines ausgewachsenen Kampfhundes mit unerforschlichem Kindheitstrauma. Der schlug die Nachhilfelehrer der Kinder, aber immerhin auch einen Einbrecher in der Nachbarwohnung in die Flucht. Noch heute schreckt er  Menschen, wenn er mit Blut auf der Schnauze heranstürmt. Doch das Blut ist in Wahrheit Lippenstift von E. Sie hat ihn (beinahe) zum Kuscheltier geschmust.

Einen Abend lang durften wir die Bestie beaufsichtigen. Er bellte nicht. Er pflügte auch nicht, wie früher oft, sinnlos rasend den Garten um. Er jagte nicht einmal Katzen. Nur gelegentlich stieß er einen abgrundtiefen Seufzer aus. Hilfe, ein bekümmerter Killerhund! Sein Antidepressivum? Natürlich das Frauerl! Eigentlich schade, dass das nicht als Patentrezept funktioniert: aggressiven Menschen und Tieren einfach den Beißreflex wegkuscheln!

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