So jung möchte man sein

Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Er putzte Besuchern, die manche Werke Dutzende Male in einschläfernden Aufführungen gehört hatten, die Ohren wie ein HNO-Arzt.

von Gert Korentschnig

Nikolaus Harnoncourts 85er

Der Jubilar, von dem hier die Rede ist, zählt ja zu jenen (selten gewordenen) Personen, die um eigene Feierstunden nicht wirklich Aufhebens machen, sondern stets die Sache, das Wesentliche, ins Zentrum rücken. Deshalb gibt es heute, am heiligen Nikolaustag, und morgen im Musikverein von ihm geleitete hochkarätige Konzerte, nicht mehr, vor allem aber auch nicht weniger.

Umso lautstarker muss betont werden, was er in seiner bisherigen Karriere geleistet hat. Er revolutionierte den Konzert- und Opernbetrieb, ohne jedoch Ruinen der Verwüstung zu hinterlassen – er stellte ständig Neues an die Stelle ausgetretener Pfade. Er putzte Besuchern, die manche Werke Dutzende Male in einschläfernden Aufführungen gehört hatten, die Ohren wie ein HNO-Arzt. Er ging bei jedem Konzert in die Tiefe, wo andere nicht einmal an der Oberfläche kratzen. Er machte Repertoire-Abende zu Uraufführungen. Er setzte mit dem von ihm gegründeten Concentus Musicus und mit altem, von ihm gesammelten Instrumentarium Meilensteine der Interpretationsgeschichte, sodass man die Musik früherer Epochen gar nicht mehr anders hören will, als mit der von ihm wiederbelebten Frische und Ernsthaftigkeit. Er erzielte fabelhafte Ergebnisse durch den Kontrast seiner radikalen Lesart mit klassischen Symphonieorchestern wie den Philharmonikern. Er ist mit seinen Hinterfragungen gar nicht mehr wegzudenken. Heute wird Nikolaus Harnoncourt 85. So jung wie er möchte man sein.

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