Schauen wir so, als sei das ganz normal

Doris Knecht

Doris Knecht

Es verbirgt allfällige, mit Absicht oder unabsichtlich ausgefahrene Stinkefinger.

von Doris Knecht

über riesige SiegerInnen-Blumen-Buketts

Was mir bei der Buchmesse in Leipzig noch aufgefallen ist: Die merkwürdige Angewohnheit, SiegerInnen mit fetten Blumensträußen zu beglücken, macht auch vor Literaten nicht halt. Der nicht so groß gewachsene rumänische Schriftsteller Mircea Cartarescu wurde bei der Verleihung des Buchpreises zur europäischen Verständigung von einem riesigen gelben Blumen-Bukett beinahe verschluckt, wie auch der Lyriker Jan Wagner, der den Preis der Leipziger Buchmesse gewann.

Wie alle Preisträgerinnen und Preisträger, Sängerinnen, Schauspieler und Regisseurinnen, die je auf der Bühne hinter so einem Blumen-Ungetüm fast verschwanden, standen auch diese Geehrten hilflos und handlungsunfähig. Umschlangen die Blütenarrangements beidarmig, lächelten tapfer und mühten sich sichtlich, so zu blicken, als fänden sie die Beflorung nicht völlig deplatziert: Bis irgendwer sie endlich davon befreite oder von der Bühne geleitete, weil man mit so einem Ungetüm vor der Nase natürlich keine Tritt-Sicht hat.

Woher kommt dieser Brauch? Warum wird das gemacht? Haben das die vereinten Blumenhändler durchgesetzt? Oder sind die Gefeierten mitunter dermaßen unattraktiv, dass man sie unbedingt mit viel Blumenschmuck dekorieren und behübschen muss? Oder gab es vielleicht in der Geschichte zahlreiche Vorfälle, in denen Geehrte mit ihren unterbeschäftigten Händen und Armen Schabernack trieben oder Fürchterliches anrichteten?

Hinterher jedenfalls verwelken die meisten dieser Blumen ungeschätzt, da solcherart Beschenkte recht häufig zu der Ehrung angereist sind und im Flieger keinen eigenen Sitzplatz für den Strauß dazubuchen mögen.

Einen Vorteil hat so ein riesiges Bukett natürlich: Es verbirgt allfällige, mit Absicht oder unabsichtlich ausgefahrene Stinkefinger – weil gerade alle über jenen des griechischen Finanzministers reden. Und es lässt sich in den Blumenstrauß auch kein falscher Finger hineinretuschieren. Dafür hat der Strauß einen Sinn, sonst eigentlich nicht.

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