Sagen Sie mal: Wie war ich?

Heute früh in der Mailbox: Spam, Leserbrief, Spam, Einladung, Werbung, Werbung, Spam, Werbung, Spam, Leserbrief, Spam, Werbung, Werbung, Bestellbestätigung, Spam, Ankündigung, Spam, Einladung, Leserbrief, Spam.

Und dazwischen sechs Mails, in denen ich zur Bewertung aufgefordert wurde: eine von einem Hotel in Zürich, in dem ich kürzlich übernachtete. Eine von einem eBay-Händler, bei dem ich eine Tischlampe aus den Siebzigern gekauft habe, sehr schön. Eine von einem eBay-Händler, bei dem ich einen alten Hi-Fi-Verstärker erworben hatte, leider nicht ganz intakt. Eine von einer Fluglinie. Eine von einem Sushi-Zustelldienst und eine von meinem Provider, der die Qualität der letzten telefonischen Beratung zu erfragen beliebte.

Wann wurde das Leben eigentlich zu einem permanenten "Wie war ich?" Dem sich natürlich die Frage anschließt: Muss ich? Muss ich das, immer alles bewerten? Mit dieser "Gewissensfrage" hat sich auch Dr. Dr. Erlinger im Magazin der Süddeutschen Zeitung schon einmal auseinandergesetzt. Ein Leser, der sich vor Kaufentscheidungen gerne auf die Bewertungen anderer Kunden verlässt, wollte wissen, ob ihn das moralisch verpflichtet, auch selbst zu bewerten, um damit wieder anderen Kunden Entscheidungshilfe zu gewähren. Er brachte den Rechtsanwalt damit in Verlegenheit, der sich aber schließlich dazu durchrang, keine "allgemeine Pflicht zu konstatieren."

Man darf also Bewertungen ohne Eigenbewertungsleistung nutzen. Womit man zudem auf der sicheren Seite ist: Tatsächlich verklagen oder bestrafen manche Unternehmen Kunden mitunter für schlechte Bewertungen. Wie jenes englische Hotel, das seinen Gästen für schlechte Bewertungen Straf-Zuschläge auf die Rechnung setzt. So gesehen ist es klüger, nicht selber zu urteilen, sondern sich an den Urteilen anderer zu erfreuen, etwa an den bereits legendären 859 Amazon-Kundenrezensionen zu einem Schweizer Offiziersmesser. Und wenn Ihnen diese Kolumne gefallen hat ... nein, Witz.