Quälende Quellen

Doris Knecht

Doris Knecht

Das kann einem allen Schlaf ruinieren.

von Doris Knecht

über Glocken-Läuten

28 Glockenschläge um Mitternacht: Ein Linzer, der nächst des Neuen Domes wohnt, wird jede Nacht des Schlafes beraubt. Nun hat er Klage eingebracht, das nächtliche Geläute erfülle keinen religiösen Zweck. Ein Gutachten der Diözese ergab dagegen, das Glockenläuten erfolge "zu Recht": Es wäre interessant zu wissen, zu welchem Recht genau, und auf welcher Basis so ein Recht, die sonst hierzulande so heilige Nachtruhe zu stören, eingeräumt wird.

Und man darf natürlich, ganz naiv, fragen, welchen Zweck das Läuten von Kirchturmglocken heutzutage überhaupt noch hat. Wenn man, wie Ihre Autorin, von einer Kirche in nicht zu kleinem Abstand lebt, empfindet man das ferne Läuten ihrer Glocken als willkommene, altmodisch-archaische Abwechslung zu den modernen Lärmquellen, quälende Quellen mitunter, denen man in einer Stadt Tag und Nacht ausgesetzt ist: Automotoren-Lärm, das Rumpeln von Automobilen auf Schwellen, Moped-Geknatter. Das elektronische Gezwitscher von Handys, das SMS-Gedongs, das Piepsen rückwärts einparkender Lebensmittel-Laster um fünf Uhr früh. Das Gebimmel und das Rauschen der Straßenbahn, das dumpfe Dröhnen des Fernsehers des schwerhörigen Nachbarn, das Keuchen pneumatischer Türen, das Pumpern von Subwoofern in Kofferräumen, das Surren des eigenen Kühlschranks.

Aber es ist etwas anderes, wenn man direkt neben einer Kirche, in der Nähe eines Doms gar wohnt und einmal angefangen hat, das Läuten zu hören. Immer lauter, wie es einem scheint, und dann darauf zu warten, dass das Geräusch, vor dem man sich fürchtet, die Stille, den Kopf zerreißt, jede Sekunde, jetzt dann, gleich. Das kann einem allen Schlaf ruinieren. Insofern hat man für den schlaflosen Herrn ein gewisses Verständnis.

In der Schweiz übrigens gibt es eine umstrittene Initiative, die Kühe von ihren Glocken zu befreien. Eine Studie der ETH Zürich erhob deren Gesundheitsschädlichkeit, für die Kühe wohlgemerkt: zu schwer, zu laut. So hat jeder seine Glocken-Sorgen.

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