Hätte ich schon einen Kaffee gehabt

Doris Knecht

Doris Knecht

Ich vergaß auf den Kaffee, weil es so früh war und ich noch keinen Kaffee gehabt hatte.

von Doris Knecht

über ein Heißgetränk

Vorgestern war Internationaler Tag des Kaffees. Ich beging diesen Tag, in dem ich sehr früh aufstand, die Espressokanne auf den Herd stellte, mir dann eine große Tasse Kaffee einschenkte, sie auf den Küchentisch stellte und nach einem Schluck vergaß.

Kein Wunder eigentlich: Ich vergaß auf den Kaffee, weil es so früh war und ich noch keinen Kaffee gehabt hatte. Hätte ich schon einen Kaffee gehabt, hätte ich nicht auf den Kaffee vergessen; ein Existenz-Dilemma, das mich schon seit Jahrzehnten martert und mir viele schöne Stunden meines Lebens raubt, in denen ich, weil ich keinen Kaffee hatte, vergesse, dass ich mir einen Kaffee machen wollte.

Ich habe auf den Kaffee jedenfalls vergessen, bekleidete mich stattdessen und verließ mit einer schweren Tasche das Haus. Es war noch dunkel. Als ich auf der anderen Straßenseite gerade in die Gasse einbiegen wollte, wurde mir bewusst, dass ich ein wichtiges Kabel vergessen hatte.

Ich drehte um, ging zurück zum Haus, fuhr mit dem Aufzug hoch, sperrte die Wohnung wieder auf, holte das Kabel, sperrte zu und sah den Aufzug davonfahren. Ich ging mit der jetzt noch schwereren Tasche hinunter, auf die Straße und die paar Hundert Meter zur Straßenbahn-Station. Nach drei Minuten kam die Straßenbahn. Ich stieg ein, es war die falsche. Ich fuhr eine Station mit der falschen Bim, und ging dann eine Station wieder zurück.

Es war immer noch dunkel, als ich wieder bei der Bim-Station ankam, deren Anzeige mich informierte, dass die nächste, die richtige Bim in acht Minuten zu erwarten sei. Es war kalt. Ich wartete acht Minuten, die Bim kam, und als ich einsteigen wollte, wurde mir beim Versuch, einen Handy-Fahrschein zu lösen, klar, dass ich die Brille vergessen hatte. Ich stieg nicht ein. Ich drehte wieder um. Ich ging zurück zum Haus, fuhr mit dem Lift hinauf, sperrte die Wohnung auf, und holte die Brille. Während ich die Wohnung zusperrte, fuhr der Lift davon. Ich ging hinunter und auf die Straße. Es wurde langsam hell. Die Tasche war jetzt sehr schwer. Gegenüber sperrte gerade die Bäckerei auf. Ich ging hinein und kaufte einen doppelten Espresso. Ich trank ihn auf dem Weg zur Bim. Er wirkte, ich stieg in die richtige Bim.

Der Tag des Kaffees sollte ein Feiertag sein: Mit Paraden und Luftballons und allem; meine Meinung.

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