Essbare Klassenzimmer

Doris Knecht

Doris Knecht

Dort wollte er die Kinder nämlich haben: in der Klasse.

von Doris Knecht

über das Klassen-Gemüse

So eine inspirierende Geschichte, gestern im Guardian, eine, in die einen schon die Bilder ziehen: Ein Mann in einem knallgrünen vertikalen Garten, aus dem üppig frischer Salat und saftige Kräuter wachsen. Der Mann heißt Steven Ritz, er ist Lehrer in der New Yorker South Bronx. In der Geschichte erzählt Ritz, wie er in diese Schule voller Kinder mit speziellen Anforderungen versetzt wurde: arme Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund, die die Sprache nicht beherrschten, obdachlose Kinder und solche aus Pflegefamilien. Irgendwer habe eine Schachtel mit Blumenzwiebeln geschickt, die er achtlos hinter eine Heizung gelegt habe, wo plötzlich völlig unerwartet Narzissen wuchsen.

Er beschloss, mit seiner Klasse mehr und Besseres wachsen zu lassen, fing mit den Kindern auf verlassenen Grundstücken zu gärtnern an, um die Nachbarschaft zu verschönern und Leute zusammenzubringen. Schließlich verfiel er auf vertikale Gärten in der Klasse, schuf essbare Säulen und Wände – und damit noch etwas: einen Grund für die Kinder, in die Schule zu kommen. Dort wollte er die Kinder nämlich haben: in der Klasse.

Und erstaunlicherweise seien nicht nur die Pflanzen gewachsen, sondern auch die Anwesenheit der Kinder: von 43 auf 93 Prozent. Die Kinder fühlten sich für die Pflanzen verantwortlich und seien schon allein deshalb in die Schule gekommen, um sie gedeihen zu sehen. Und gediehen dabei selber: "Denn wenn ich sie erstmal in der Schule habe", schreibt Ritz, "habe ich auch Zugriff auf ihr Hirn."

Und: Er wollte unbedingt Erfolg haben, Misserfolg sei keine Option für ihn gewesen. Er finanzierte das Projekt aus eigener Tasche, denn "es ist einfacher, ein Kind gesund aufwachsen zu lassen, als einen kaputten Erwachsenen zu reparieren." Und billiger. Es sei teilweise unvorstellbar, wie sich diese Kinder zuvor ernährt hätten: Inzwischen wird das Klassen-Gemüse auch verkocht und verkauft, und Steven Ritz findet begeisterte Nachahmer. Vielleicht auch bei uns. www.greenbronxmachine.org

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