Freundlich UND kompetent: Ist so was in Österreich überhaupt erlaubt?

von Guido Tartarotti

über "Sommergespräche" und andere politische Interviews

„Er gilt als freundlich, aber kompetent“ , schreibt Kollege Philipp Wilhelmer über Hans Bürger, den Gastgeber der heurigen ORF-„ Sommergespräche“. Dieses ABER bildet sehr präzise das Dilemma eines politischen Interviewers im heutigen österreichischen Fernsehen ab: Er muss sich genau genommen entscheiden, ob er freundlich oder kompetent sein will.

Vor der Rundfunkreform Ende der Sechzigerjahre waren TV-Interviews mit Politikern reine Inszenierung. Die Fragen und Antworten standen schon vorher fest, der Interviewer war nur ein Mikrofonständer. Als der ORF kritisches Selbstbewusstsein entwickelte, änderte sich das drastisch. TV-Auftritte wurden für Politiker zu einem Risiko, jederzeit konnten sie sich die Nase an einer unangenehmen Frage blutig stoßen. Darauf reagierten die Politiker, indem sie sich trainieren ließen und aufhörten, wie normale Menschen zu reden. (Oder antworten Sie, wenn Sie z. B. jemand nach dem Weg zum Bahnhof fragt, mit „Eine wichtige Frage, lassen Sie mich aber zunächst betonen, ich stehe für Gerechtigkeit...“?) Die Gegenreaktion: Brillante Rhetoriker wie Armin Wolf begannen in verständlicher Notwehr, Interviews wie Verhöre zu führen.

Österreich hat eine schlampige Gesprächskultur. Bei uns wird der Konsens schon formuliert, bevor überhaupt die Diskussion beginnt. Uneinigkeit gilt als Ruhestörung, weil wir nie gelernt haben, respektvoll zu streiten. „Freundlich UND kompetent“: Ist so was in Österreich überhaupt erlaubt?

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