Legendenbildung

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Ott, Sailer, Misak, Kreisky, Wessely, eigentlich die Wessely, und Zawinul haben sich nie nackt gezeigt und waren trotzdem prominent.

von Karl Hohenlohe

über Elfriede Ott

Kürzlich ging ich in der Stadt Wien spazieren und etwa auf der Höhe des Uhrenmuseums kam mir Frau Elfriede Ott entgegen.

Frau Ott, momentan nicht so gut zu Fuß, sah sehr frisch aus, wir sprachen ein wenig und dann wurde sie behutsam weitergeschoben. Frau Ott wird demnächst 90 Jahre alt. Als sie langsam aus meinem Gesichtsfeld verschwand, überkam mich das heftige Empfinden, dass es in Österreich kaum noch Legenden gibt.

Früher hatte man oft das Gefühl, gerade einer einzigartigen Persönlichkeit begegnet zu sein, Sailer, Misak, Kreisky, Wessely, Zawinul und wie sie alle hießen.

Dies liegt nicht an der vermeintlich guten, alten Zeit, dies hat mit der Masse zu tun. Heute gibt es mehr Berühmtheiten denn je. Man ist viel rascher prominent, als noch vor 25 oder 30 Jahren.

Heute springt man hüllenlos mit einem Bungee-Seil von einer Brücke, posiert pudelnackt in Cannes oder läuft entblößt über ein Fußballfeld, schon wird man befilmt, dann umgehend ins Internet gestellt und ist berühmt.

Sailer, Misak, Kreisky, Wessely, eigentlich die Wessely, und Zawinul haben sich nie nackt gezeigt und waren trotzdem prominent. Dies kann ich auch von Elfriede Ott behaupten.

Was sie unweit des Uhrenmuseums wohl gemacht hat?

Vielleicht hat sie das immer noch existierende Geschäft ihres Vaters besucht, vielleicht hat die gelernte Uhrmacherin aber auch einen besonders schönen Chronometer im Museum betrachtet und ist zur Erkenntnis gelangt, dass die Uhren heute anders gehen.

Kommentare