Rituale des Fußballschauens

Fußball schauen ist mitunter unerfreulich. Vor allem mit dem Ex-Ex-Ex.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

"Pist teppert!", rief er, bestellte "o-a Achtel krünen Feltliner

von Vea Kaiser

über den Versuch eines Preußen, wienerisch zu sprechen

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber mein Herz kann sich an der heurigen EM wenig erfreuen. Die Ergebnisse sind nicht gerade zufriedenstellend, viele Spiele viel zu fad und meine grundsätzliche Freude am
Ritual des Fußballschauens wird vom Zusammenspiel zweier Pole getrübt: meinem Ex-Ex-Ex-Freund und dem Thema Integration. Der Ex-Ex-Ex, ein exotisches Exemplar der Spezies waschechter Preuße, übersiedelte vor einigen Wochen nach Wien. Ich rechnete nicht damit, dass er, ein jahrzehntelanger Nomade, dauerhaft in dieser Stadt bleiben würde. Wie viele Nomaden trug auch er die Heimat immer im Herzen, gründete in der Schweiz sogar einen Verein namens CDU Helvetia, doch hier in Wien zeigt er plötzlich den ernsthaften Willen zur Integration. (Was auch grundsätzlich zu begrüßen ist, denn eine CDU Austria würde dieses viel geprüfte Land wirklich nicht verkraften.) Fußball ist einer der besten Wege, Integration zu erreichen, also wurde mein Ex-Ex-Ex tatkräftiger Unterstützer der Österreichischen Mannschaft und gesellte sich zum Fußballschauen in meine Freundeskreise. Als er eine Lobeshymne auf Alaba und Co. sang, dachte ich kurz, wir würden tatsächlich noch Freunde, doch dann überschritt er den Rubikon. Er begann, in preußischer Lautstärke Österreichisch zu imitieren. „Pist teppert!“, rief er, bestellte „o-a Achtel krünen Feltliner“, fand manche Sachen „laiwont“, und dies alles in einem gekünstelt nasalierten Tonfall, als befänden wir uns beim Vorsprechen für eine Sommertheaterinszenierung der Monologe von Kaiser Franz Joseph in Niedersachsen. Wahrscheinlich ist es kleinkariert und zickig von mir, dass ich die Verpreußung österreichischer Urlaute schlimm finde. Aber um ehrlich zu sein: Dafür, dass ich das deppert finde, kann mich gern die ganze Welt für deppert halten. Solange es DEPPERT heißt!
vea.kaiser@kurier.at

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