Lauschangriff auf die Intuition

Der Filmschauspieler Daniel Day-Lewis stellte sich mit melancholischem Blick an die Fensterbalustrade mit Blick auf den Canal Grande und sagte: „Jaja, jeder Film ist ein Friedhof von verpassten Gelegenheiten – so wie das Leben eben auch.“ Das Interview liegt Jahre zurück, doch ich muss immer wieder an diesen Satz denken. Der Mann hat damals gerade Isabelle Adjani mit frisch geschlüpften Zwillingen sitzen lassen. Seine Intuition hatte ihm geflüstert, dass französische Superdiven generell „Problemlady“ in Leuchtlettern auf ihre Stirn tätowiert haben. Jeden Tag stellt einen das Leben vor Entscheidungen, die sich zwischen den Preisklassen „Erd- oder Himbeereis?“, „Zwillinge mit Adjani oder besser nicht?“ oder „Selbstmord durch bunte Pillen oder mit der abgesägten Schrotflinte?“ bewegen. Und täglich versenkt man so ein paar Pläne. Aber sicher, man hätte einige Dinge besser auslassen sollen: Capri-Hosen, narzisstisch gestörte Herren, Club-Urlaube, Themen-Parties, Schokobrunnen, Prokrastinieren von großen Aufgaben, Verschleudern der pekuniären Reserven, aber auch die eine oder andere Pointe, die die Befeuerten direkt in der Herzgegend traf. Andererseits: Ohne Unfug wäre das Leben so spannend wie ein Bingo-Abend im Pflegeheim in Limonaden-Begleitung. Rückblickend hätte ich bei späteren Fehltritten immer meinen Instinkten trauen sollen. In den ersten sieben Sekunden bei einer Wegbiegung einfach seiner Intuition lauschen und wenn die kläfft „Lauf, so schnell du kannst“ oder „Achtung: Zielobjekt leidet an Charakterdefiziten“, rationale Argumente wie „Gib dem Unglück doch eine Chance“ einfach in den Wind schlagen. Denn die wichtigsten Entscheidungen hatte ich immer in Sekundenschnelle getroffen: Kind, erste große Liebe, zweite große Liebe, dritte große Liebe, Wohnung, Jobwechsel, Trennungen oder – manchmal eben – Befreiungsakte. Manche Verluste hatten sich später sogar als echte Gewinne entpuppt.

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