Verfluchte innere Werte!

Warum „Gescheitheit nicht gerade günstig ist”.
Polly Adler

Polly Adler

Überlegenheit ist das Letzte, was der Mann der Frau verzeiht.

von Polly Adler

über die Überlegenheit der Frauen

Unlängst fand ich in einem Antiquariat eine Ausgabe des „Uhu“, ein elegantes Berliner Magazin in der Weimarer Republik. Für dieses Periodikum schwang unter anderem die formidable Vicki Baum den Federkiel – neben Colette, Brecht, Benjamin etc. In Baums philosophischem Problemaufsatz aus dem Jahr 1930, der sich mit der Frage „Was macht und wann ist eine Frau begehrenswert?“ beschäftigte, blinkte mir folgende Passage entgegen: „Gescheitheit ist nicht gerade günstig für die Anziehungskraft einer Frau, und Überlegenheit ist das Letzte, was der Mann der Frau verzeiht. Da aber heute eine Menge Frauen einer Menge Männern überlegen ist, müssen diese durch Verstand benachteiligten Frauen so viel Verstand haben, dass sie ihn das nicht merken lassen.“
Merci, Madame Baum! In 86 Jahren sind wir bei genauerer Betrachtung keinen halben Zentimeter weiter gekommen. Ich sehe unheimlich kluge Frauen ihre Intelligenz an der Garderobe abgeben, damit sie ihre Typen nicht aus der Love-Life-Balance bringen. Ihre Stimmen klingen dabei wie Mütter, die ihren geistig nicht sehr ausgeschlafenen Kindern erklären, dass sehr bald alles sehr gut werden wird; ihre Blicke sind auf plätzchenäugige Bewunderung positioniert.
Und just jene Männer, die immer wieder behaupten, wie wichtig ihnen Humor, Intelligenz und der ganze innere Werte-Tralala bei Frauen denn nicht ist, haben dann oft jene Sorte von Damen im Handgepäck, die einen Witz gern gleich mit der Pointe eröffnen und Baudelaire für einen sehr guten Rotwein halten. „Ich pfeif' jetzt einfach auf die inneren Werte“, sagte G, während wir uns in der Mucki-Bude abrackerten, „denen will es nämlich keiner so richtig besorgen.“ Und dann trainierte sie mit voller Kraft den kulleräugigen Du-bist-aber-ein-starker-großer-Mann-Blick. 50-mal. Die arme Irre wollte die Hoffnung auf ein Happy End einfach nicht aufgeben.

polly.adler@kurier.at

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