Das Euro-Aus als Lektion

Zoran  Barisic

Zoran Barisic

Das Ziel lautet ab heute ganz klar: Die Qualifikation für die WM 2018

von Zoran Barisic

über das EM-Aus Österreichs

Ich will mich mit diesem Text nicht in die Reihe der acht Millionen Teamchefs einfügen, die eh alles besser wissen. Ich bin wirklich traurig über das frühe Aus und versuche, Schlüsse daraus zu ziehen, die für die Zukunft des Teams Erfolg versprechen. Denn das Ziel lautet ab heute ganz klar: Qualifikation für die WM 2018. Und diese Mannschaft hat die Qualität dafür, davon bin ich nach wie vor überzeugt.

Im Moment dominiert natürlich noch die Enttäuschung über das 1:2 gegen Island. Nach dem schlechten Start gegen Ungarn wurde gegen Portugal die Chance auf dieses Finalspiel erarbeitet. Dass es dann nicht gereicht hat, kann auf viele Gründe zurückgeführt werden. Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Die überraschende Systemumstellung war entscheidend. Aber das wäre zu oberflächlich.

Ungewohnt

Sicher war die Dreierkette ungewohnt, aber abseits von Systemfragen ist aufgefallen, dass Österreich 45 Minuten lang zu wenig aktiv war. Im Spiel nach vorne, aber auch bei der Balleroberung. In der zweiten Hälfte hat das viel besser gepasst – und das lag eher an der veränderten Spielanlage als am gewohnten 4-2-3-1. Diese nötige Trennung zwischen System und Spielanlage hat sich hierzulande in den Fußball-Diskussionen noch nicht ganz durchgesetzt. Jedenfalls wurde nach der Pause viel früher attackiert, nach der Balleroberung wurde dynamischer versucht, Anspielstationen zu schaffen. Und der Druck nahm zu.

Ohne als Hätti-wari dastehen zu wollen, hat sich bei der zweiten Chance von Schöpf gezeigt, dass es in Turnieren oft um Details geht. Wenn er das 2:1 macht, jubeln alle und ganz Österreich freut sich auf das Achtelfinale. Ich hätte mir – wie in der jüngsten Kolumne beschrieben – Schöpf in der Startelf vor Alaba gewünscht. Auch in der 45-Minuten-Version hätte das fast noch gereicht.

Unerklärlich

Kein Verständnis habe ich hingegen für das Verhalten vor dem 0:1. Alle haben über die gefährlichen Standardsituationen und die langen Einwürfe der Isländer Bescheid gewusst. Dazu musste man nicht einmal als Experte gelten. Das Team hatte vor der Pause mit Prödl und Ilsanker auch noch genau zwei zusätzliche Spielertypen auf dem Feld, die diese Situationen mit ihren körperlichen Stärken im Luftkampf verteidigen können. Und dann passiert doch genau so ein Tor – das darf in einem Finalspiel einfach nicht sein.

Und jetzt, nach dem bitteren Abschied von der großen Bühne? Darf nicht vergessen werden, wie gut sich diese Mannschaft bis zum Schritt in das doch für viele ungewohnte Rampenlicht entwickelt hat. Jetzt wird sich die wahre Qualität dieses Kaders zeigen. Große Mannschaften lernen aus solchen Tiefschlägen, stehen wieder auf und kommen noch stärker zurück.

Dass die WM-Quali gegen die EM-Achtelfinalisten Wales und Irland sowie gegen die hoch veranlagten Serben schwierig wird, sollte spätestens jetzt allen klar sein. Aber auch wir können noch besser werden. Und dann, 2018 in Russland, wird die Mannschaft von diesen derzeit noch schlimmen Erfahrungen aus Frankreich unheimlich profitieren können.

Unbekümmert

Die Mannschaft ist ja in einem guten Alter. Es werden nur wenige wegbrechen. Dafür kann Alessandro Schöpf – von dem ich wie schon zuletzt beschrieben ein Fan bin – in der Qualifikation ganz wichtig werden. Von ihm erwarte ich nach diesen unbekümmerten Auftritten sehr viel. Auch bei Marcel Sabitzer rechne ich in der Deutschen Bundesliga mit dem nächsten Entwicklungsschritt. Ebenso bei Florian Kainz in Bremen.

Fraglich ist hingegen, ob schon bald der nächste Mittelstürmer parat steht, auf den wir so bauen können wie auf Marc Janko in der EM-Qualifikation. Allen Beteiligten wünsche ich jedenfalls gute Erholung! Sie sollten den Kopf nicht hängen lassen. Und zumindest in Erinnerung an die mitgereisten, wunderbaren und vorbildlichen österreichischen Fans im Urlaub auch Positives mit dieser EURO verbinden.

sport@kurier.at

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