Spektakel zum richtigen Zeitpunkt

Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Das Palais de Congrès in Paris strahlt von außen vor allem ziemlich viel Vergangenheit aus. Da liegt dieses riesige, einst auf glanzvollen Protz bedachte Bauwerk, wie ein Raumschiff, das seit Jahren auf seine Verschrottung wartet.

Der Weg zum Haupteingang ist mit einem roten Teppich überklebt. Er ist aus Plastik. Also nur ein Versuch, Exklusivität zu vermitteln. Glitzernde Weihnachtsbeleuchtung über den Glastüren plädiert für den augenblicklichen Stimmungswechsel. "Zur Dermatologen-Tagung" war noch am Vortag in der großen Empfangshalle wichtigster Richtungsweiser.

Aber an diesem Samstag geht nur ein Thema unter die Haut der europäischen Fußballliebhaber. Es ist Auslosung zur Fußball-EM 2016 in Frankreich. 24 Nationen erfahren, wer gegen wen und auch wo jeweils gespielt wird in der ersten Phase dieses Turniers.

Für 18.49 Uhr sah es der alles im Minutentakt bestimmende Plan des Ein-Stunden-Spektakels vor, dass sich Österreich – aus dem Topf 2 gezogen – schon zur Gruppe seiner drei Gegner zu gesellen hatte.

Abenteuer

Ein erster Schritt des EM-Abenteuers in Frankreich ist getan. Die Vorbereitung auf die erste EM-Teilnahme, die sich ein österreichisches Nationalteam erstmals und eindrucksvoll erspielt hat, kann beginnen.

Was auf Teamchef Marcel Koller und seine Spieler tatsächlich zukommen wird, weiß niemand. Sportlich sowieso nicht, das leibliche Wohl allerdings, ist einigermaßen planbar. Für die Sicherheit während des Turniers kommt die UEFA auf; ein auf das EM-Quartier speziell zugeschnittenes Konzept soll in den nächsten Wochen vorgelegt werden. Alles andere geht auf Kosten des ÖFB, wie Flüge oder Unterkunft.

Der Präsident der EURO 2016, Jacques Lambert, verspricht ein wahres Fest im Sommer. Ein Versprechen, das er eigentlich nicht geben kann. Auch wenn in ganz Frankreich 10.000 Sicherheitsbeamte in den Kampf gegen den Terror geschickt worden waren.

Gratwanderung

Aber alles ist gut, nur keine Panik – Frankreich spielt den Normalfall, obwohl sichtbar alles anders ist. Ein Vakuum zwischen der Sehnsucht nach der Unbeschwertheit und der ständigen Vorsicht. Das erklärt das ständige Knattern des Hubschraubers über dem Gebäude an der Place de la Porte Maillot, das Großaufgebot der Polizei, schwarz gekleidete Angestellte einer Security-Firma, die sogar die gewohnt üppige Fläche der blauen UEFA-Anzüge zur Minderheit degradieren.

Dass Ankömmlinge angehalten werden, Taschen zu öffnen, um einen kontrollierenden Blick zu ermöglichen, erhöht zwar nicht unbedingt das Sicherheitsgefühl, gehört aber schon zum Ritual in hoch frequentierten Pariser Gebäuden. "C’est bon." Weitergehen. David Guetta machte Musik, Damen tanzten Cancan, aber es war eher die noch existierende Terrorangst, die einen enormen Aufwand für eine 60-minütige UEFA-Show nötig machte.

Der Kandidat

Ein technisch trockenes Ereignis, das eigentlich in einer Viertelstunde hätte erledigt werden können. Dennoch interessant, hatte doch ein Mann auf der Bühne das Sagen, der vielen Fernsehkonsumenten vergangener UEFA-Auslosungen längst ein Begriff geworden ist: Gianni Infantino, die medial bekannteste Glatze im Funktionärswesen des internationalen Fußball-Geschäfts.

Hinter Joseph Blatter und Michel Platini zwar gelegen, aber einer, der noch nie als Verdächtiger in einem Korruptionsfall gehandelt worden war.

Infantino, der Zeremonienmeister der UEFA, soll es zu etwas bringen – vom Generalsekretär des europäischen Verbandes nämlich zum Präsidenten des Weltverbandes FIFA. Infantino ist ernst zu nehmender Kandidat bei der Wahl am 26. Februar 2016.

Der Fußball rollt weiter. In Frankreich unter besonderen Voraussetzungen. Eine EM-Endrunde begann mit einer vielleicht überflüssigen Show. Aber es tut den Franzosen gut, zumindest in diesen Zeiten Mittelpunkt einer europäischen Gemeinschaftsgefühls zu sein.

400 Journalisten vor Ort berichteten davon.

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