Das verdammt leichte Los

Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Es musste so kommen. In diese jede Realität überstrahlende Euphorie platzte das "leichte Los" von Paris. Internet-Foren und manche Medien ersaufen im steigenden Pegel der Erwartungshaltung. Ein Freilos für den Aufstieg, wie manch Optimist schon davon ausgeht, man werde die Gruppengegner Portugal, Ungarn und Island schlicht zerbeißen. Und Österreich könne gar nicht ausscheiden, dürfe jetzt schon anstoßen auf ein locker geschafftes Achtelfinale.

Erlaubt ist, Muskeln zu zeigen. Zu gut, zu souverän und verdient war die Qualifikation, die zur ersten, auf dem Spielfeld erreichten EM-Teilnahme führten. Zu ausdrucksstark ist die Position einer weltweiten Nummer 10, um sich jetzt in der Außenseiterrolle zu verkriechen. Aber grob fahrlässig – nein, schlichtweg dumm – wäre es, jetzt die bloße, mit dem problemlosen Durchmarsch endende Pflichtübung in der Gruppe F auszurufen.

Genauso hirnverbrannt ist übrigens der noch immer fest verankerte Reflex, den Deutschen schon wieder eine Tradition des unzerstörbaren Losglücks vorzuwerfen. Der typische Reflex, ein österreichischer Komplex.

So österreichisch, wie einst die mit Inbrunst bejammerte Armseligkeit der eigenen Fußball-Welt, von dieser Scheiße, in der man bis in alle Ewigkeit baden werde. Im Gefühl der himmelhohen Glückseligkeit kann und will sich jetzt niemand mehr daran erinnern. Marcel Koller, der Teamchef, der Realist, weiß sehr gut, dass seine warnenden Worte in den nächsten sechs Monaten als Vorsichtsmaßnahme bis hin zur vorauseilenden Ausrede abgetan werden.

Ausgeblendet

Aber was, wenn sich Alaba wieder verletzt, vielleicht auch ein Janko nicht kann und Harnik kein Torschütze wird, Junuzovic in der Formkrise steckt? Verdammt viel kann sich ereignen bis zum Sommer 2016.

Was, wenn Österreichs Team gegen Ronaldo verliert? Nach unglücklichem Spielverlauf gegen die unbekannten Ungarn nur Unentschieden spielt? Und wie schon die Niederlande mit robusten Isländern am Ende nichts anzufangen weiß? Wie reagieren die Träumer?

Ein wenig Demut, vermischt mit berechtigtem Selbstvertrauen kann jedenfalls nicht schaden. Auch so ein Zeichen von wahrer Größe.

Kommentare