Fehlerquelle Selbstkritik

Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Bei der lückenlosen Analyse ist beim Thema " Selbstkritik" etwas schief gegangen.

von Bernhard Hanisch

über Koller und Ruttensteiner

Der ÖFB-Präsident ist berühmt für seine einleitenden Worte. Meist sind es deren viele. Vielversprechend klangen sie dieses Mal auch. Schmackhaft machte Leo Windtner jedenfalls die große österreichische EM-Analyse, 19 Tage nach Turnier-Ende. Zeit genug, um wieder nüchtern geworden zu sein, also von der ersten Enttäuschung befreit, relativ emotionslos die Erkenntnisse aufarbeitend, die Lehren aus einem ziemlich unerfreulichen Besuch der EM-Gruppenphase zu ziehen. Grundsätzlich vernünftig ist solch ein Plan.

Versprochen wurde der Verzicht auf Schönfärberei. Und angekündigt war auch Selbstkritik, die dringend notwendige Starthilfe in eine bessere Zukunft. Geworden ist es unter dem Strich eine Beschreibung von Unzulänglichkeiten, die auch vor ein paar Wochen schon als unzulänglich empfunden wurden.

Ja, Fehler seien gemacht worden, etwa bei An- und Abreise am Spieltag, meint Sportdirektor Willi Ruttensteiner. Na und? Die Vorbereitung auf die Turniersituation habe man bei der unter Stressbelastung und öffentlicher Erwartungshaltung zusammengebrochenen Mannschaft anscheinend versäumt. Kann passieren. Und das Pech mit den acht Spielern im entweder physischen oder mentalen Tief könne nicht dem Teamchef angelastet werden. Tut kein Mensch.

Teamchef Marcel Koller stimmt all dem zu und offenbart sich in der EM-Betrachtung als Betrachter. Er habe mangelnde Effizienz beobachtet, Zögerlichkeiten, das Pressing vermisst, welches für das Team noch in der Qualifikation ein Automatismus war.

Und mit einem nicht vorhanden Selbstvertrauen könne man bei einer EM ohnehin schwer etwas gewinnen.

Aber bei der lückenlosen Analyse, zu der sich Sportdirektor und Teamchef in die Schweiz zurückgezogen haben, ist beim Thema "Selbstkritik" etwas schief gegangen. Warum hat Koller unter all den festgestellten Schwierigkeiten so auf seiner Idee mit einem immer offensiver eingesetzten, gleichzeitig unsicher werdenden Alaba beharrt? Konnte man die 3-5-2-Aufstellung gegen Island noch als eine für den Schweizer untypisch plötzliche Systemabweichung oder als leider unbelohnten Mutanfall einfach stehen lassen, ist das Alaba-Experiment – von vielen Fehlpässen bewiesen – wohl das falsche gewesen.

Ein Fehler eben, der darauf wartet, zugegeben zu werden. Verwunderlich, denn von Koller wird weiterhin zwar viel verlangt, Unfehlbarkeit gehört aber nicht dazu.

Kommentare