Die vielen Probleme der verunsicherten SPÖ

Zerrissen durch Personaldebatte und FPÖ-Streit geht die SPÖ-Spitze heute in eine entscheidende Sitzung.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Warum tut sich die SPÖ so schwer, Konzepte für Veränderungen in der Wirtschaft zu finden?

von Dr. Helmut Brandstätter

über die SPÖ-Krise

Am Montag kommen in Wien 70 Parteifreunde im SPÖ-Vorstand zusammen, also Menschen, die einander zum Teil gar nicht mögen. Das hat man zuletzt mitbekommen, als SPÖ-Funktionäre einander Unfreundlichkeiten aller Art ausgerichtet haben, bisher undenkbar in dieser disziplinierten Partei. Wie weltfremd Politiker sind, zeigte sich ja, als man in der SPÖ über das desaströse Ergebnis von Rudolf Hundstorfer überrascht war. Und im Schock eine öffentliche Diskussion begann, die die SPÖ im Moment am wenigsten weiterbringt, nämlich, ob man nicht doch mit der FPÖ eine Koalition bilden könnte. Dass sich die Partei plötzlich damit beschäftigt, beweist, dass sie ihr Selbstbewusstsein verloren hat und auch über keinerlei Ideen für die wirklich drängenden Probleme unseres Landes verfügt.

Interessanterweise spielt dieses Argument, nämlich die mangelnde Reformkraft der Regierung und die ständige Verschlechterung der Wirtschaftslage, bei den zahlreichen Rücktrittsaufrufen von Partei"freunden" an Bundeskanzler Werner Faymann keine Rolle. Es geht schlicht um die Angst, noch mehr an Macht zu verlieren.

Warum tut sich die SPÖ so schwer, Konzepte für Veränderungen in der Wirtschaft – Stichwort Digitalisierung in der Industrie 4.0 – zu finden? Das Dilemma beginnt schon bei der sozialistischen Jugend. Sie spielt in ihrem Programm noch immer Klassenkampf im Sinne des 1883 verstorbenen Karl Marx, der halt vom Internet nichts wusste. Da gibt es die bösen Kapitalisten und ausgebeutete Massen. Dass heute die Mehrheit der Wiener Unternehmer alleine arbeitet und sich dabei höchstens selbst ausbeutet, ist den Jusos noch nicht aufgefallen.

Die Jusos sind kein Machtfaktor, die SPÖ Wien schon. Sie regiert die Stadt recht ordentlich, aber ohne irgendein Kostenbewusstsein, indem sie im Zweifel die Gebühren erhöht. Wer das für Wirtschaftspolitik hält, würde in einer Konkurrenzsituation scheitern. Das gilt aber für einen Großteil der Funktionäre der SPÖ. Sie leben noch immer in einer geschützten Welt der Kammern, Staatsbetriebe und Gewerkschaften. Die Mehrheit der Österreicher hat sich davon verabschiedet.

Wie wäre es mit Besinnung auf die Geschichte

Nun hat die SPÖ ja ebenso heftig wie erfolglos für Vermögenssteuern kampagnisiert, ohne Diskussion über ein gerechteres Steuersystem, mit deutlich niedrigeren Einkommenssteuern und Lohnnebenkosten. Das würde dem Mittelstand helfen, der ernsthaft in Gefahr ist.

Früher einmal war die SPÖ stolz auf ihre historische Grundlage, ihre Arbeiterbildungsvereine: Bildung als Voraussetzung für Aufstieg. Vorschläge für eine moderne Schule gehen in der Bürokratie verloren, und für die Hunderten Millionen an Inseratengeld hätte man viele Schulen und Lehrer bezahlen können. Braucht Parteichef Faymann den Dumm-Boulevard, damit er seinem Vorstand wieder einmal ausrichten kann , dass eh alles in Ordnung sei? Auch das wollen sich viele Funktionäre nicht mehr gefallen lassen, die auch längere Sätze sinnerfassend lesen können.

Personaldebatte und der unnötige Streit um eine Koalition mit der FPÖ blockieren die SPÖ und die Regierung. Das weiß die Mehrheit im heutigen SPÖ-Vorstand ja sicher. Die deutsche SPD führt ähnliche Debatten mit ungewissem Ausgang. Das ist aber auch kein Trost.

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