Die Letzten Tage der Menschheit: Prolog

Die Letzten Tage der Menschheit: Prolog
Warum das Kraus'sche Epos gegen den Wahnsinn des Krieges so aktuell ist wie je.
Alfred Zellinger

Alfred Zellinger

Das Vorführen des schon in der Sprache angelegten Mörderischen.

von Alfred Zellinger

über sein Karl-Kraus-Projekt

28. Juni, 1914, Attentat von Sarajewo 28. Juli, 1914, Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien

Die 100 Jahre sind schnell vergangen. Zeit, Karl Kraus wieder zu lesen: Die Letzten Tage der Menschheit. Eine persönliche Auswahl an Zitaten zu treffen und als Tweets zu posten, scheint mir eine zeitgemäße Form zu sein, den Anliegen des Autors zu entsprechen: das Vorführen des schon in der Sprache angelegten, spezifisch Mörderischen in der Gesellschaft, insbesondere der sogenannten Wiener Gemütlichkeit, die sich im Großen Krieg rasch äußerte im hemmungslosen Fremdenhass auf den Straßen Wiens, in besinnungsloser Kriegsbegeisterung, im freudig-stolzen Opfern der männlichen Jugend in den Schützengräben, in ausufernden Hinrichtungen von Zivilisten...

Zehn Abende. Zehn Tweets pro Abend.

Die Letzten Tage der Menschheit: Prolog

Die Letzten Tage der Menschheitals Tragödie in fünf Akten – von Kraus einem „Marstheater“ zugedacht, deren Aufführung „nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende umfassen würde“ – misst an die 700 Seiten, weshalb ich mich, scheinbar willkürlich, auf 100 Zitate beschränke.

Eine Collage nach den Schwerpunkten Fremdenhass, Kriegsbegeisterung, Militärs, Kaiser, Hinrichtungen, Kirche, Künstler, Journalisten – geteilt, analog zu den erwähnten zehn Abenden und mit Rücksicht auf die im Internet übliche Aufmerksamkeitsspanne, in 10 Tweets pro Abend.

Der Text folgt grundsätzlich der Vorlage. Fallweise mussten Konzessionen an die Erfordernisse des Internets gemacht werden, nur ein Teil der Zitate war in 140 Zeichen zu fassen. Manche Gedanken, seien sie noch so pointiert, sind doch zu komplex für Tweets.

2014 so aktuell wie 1914

Die Letzten Tage der Menschheit: Prolog

Kraus’ Werk hatte mich als junger Mann beeindruckt, meine Haltung zu Sprache und Literatur geprägt, besaß bald einen Reprint der Fackel, aber es war die Lektüre der Letzten Tage die meine lebenslange Abneigung gegen Militarismen aller Art zur Folge hatte. Die „Blutpumpe von Verdun“, Strategie der Generäle beider Seiten, mit der sie die Jugend ihrer Länder zum „Ausbluten“ befahl, schien mir systemimmanente Barbarei.

Dass heute Politiker, die nicht einmal imstande sind Budgets in Ordnung zu halten, uns, die wir vergessen zu haben scheinen wie ein Krieg im eigenen Land sich anfühlt, jederzeit wieder in einen Krieg befehlen könnten und eine Unfähigkeit, die jetzt „nur“ unser Geld kostet, dann uns das Leben kosten würde, zeigt die Aktualität der Krausschen Entlarvungsstrategien 1914 wie 2014.

So lasst uns jetzt, frei nach Kraus, die Feder in Blut tauchen und die Schwerter dafür in Tinte.

Das Projekt "Die letzten Tage der Menschheit – in Tweets" startet am 10. Juni 1914 um 20 Uhr auf twitter.com/KURIERat.

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