Die Sexkolumne im Blog: ENDLICH GEBUNDEN

Was mit dem Kauf von Spaß-Handschellen beginnt, endet oft in süßen Seilschaften. Fesselspiele können starke Lustgefühle erzeugen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Angewandte Experimentalphysik im ehelichen Bastelzimmer: Die Dame hat plüschige "Nimm vier zahl zwei"-Hand-schellen im Erotikversand erstanden, was für ein Überraschungsei! Holla und Heia, wird jetzt im Dienste der Abwechslung geklimpert und gefuhrwerkt - vor allem aber: gekichert. Motto: Lass mich dein Politesserl sein. Am Ende landet das Paar erst wieder in der Missionarsstellung und ist vor allem klüger: plüschige Handschellen bleiben plüschige Handschellen, kommen als ernsthaftes Fesselungsaccessoire also eher herzig bis bemüht. Speziell, wenn der Plüsch so aussieht wie der schweindlfarbene Staubfluffi von der Vetti Tant. Solche Barbie-Dinger wirken zu verspielt, im Ernstfall sind sie unhandlich zu öffnen, außerdem tun sie in den spannendsten Positionen weh. Für den Fasching - ja, für den Darkroom: nein. Wenn schon süße Gefangenschaft, dann ordentlich. Fesselung gilt als Kunst - der Franzose von Welt sagt dazu ligotage. Rrrrr, schon alleine deshalb sollte man das einmal probiert haben. Am besten in Begleitung von Austern, Champagner und angemessener Kleidung. Und was die Seilschaften betrifft: Da kann etwas Leder (in Form von Gurten oder Bändern) nicht schaden, allenfalls sind fesche Seidentücher reizvoll. Achja: Alte Strümpfe gehen auch, sind aber verdammt schwer zu lösen. Es gibt natürlich spezielle Seile - mit deren Handhabung man sich allerdings gut auskennen sollte. Praktisch, wer da einen Segler an der Angel hat. Bitte keine Missverständnisse: Bei dieser erotischen Spielart geht es nicht um Gewalt, sondern um den Mix aus Kraft und Zärtlichkeit als Ausdruck harmloser, sexueller Aggression. Ja: Sex darf und soll auch eindringlich sein können, stark, einnehmend, besitzend. Selbst wenn dies mit dem konventionellen Bild der Schmusischmusi-Soft-Beischlafvariante nicht harmoniert, weil Aggression stets negativ assoziiert wird. Doch die kommt von aggredi: heranschreiten, sich nähern, etwas angreifen. Ohne Aggression kein Leben, kein Tun, kein Fortschritt. Und, mitunter: keinen guten Sex. Fesseln. Was ist der Kick daran? Havelock Ellis, der Sexualforscher, erklärte einst: "Im Allgemeinen erhöht jede Einschränkung der Muskel- oder Gefühlstätigkeit den sexuellen Erregungszustand." Alex Comfort schreibt in "The New Joy of Sex": "Ein langsamer Orgasmus, bei dem man sich nicht bewegen kann, ist für jeden, der sich vor seinem eigenen aggressiven Ich nicht zu sehr fürchtet, ein wirklich tolles Erlebnis." Natürlich wird dabei mit der Idee des Besitzens und Besiegens kokettiert - mit dem Reiz der "erotischen Gefangenschaft". Auch mit Hingabe, dem Gefühl, wehrlos zu sein, genommen zu werden, sich fallen zu lassen. Ein Grenzgang, der es ermöglicht, bis zum Letzten aus sich herauszugehen. Die Kunst ist es, den Partner "zärtlich" zu fesseln - gerade so, dass es ihm unmöglich ist, loszukommen oder sich heftig zu wehren. Autor Comfort dazu: "Die Beschränkung gibt dem passiven Partner etwas mit den Muskeln zu tun, während dieser hinsichtlich der Beeinflussung der Vorgänge, des Stimulationsrhythmus und -tempos völlig hilflos bleibt." Experten nennen das übrigens - sehr schön: "Schwebefaktor".

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