Stereotypedreschen im Land des Lächelns

Evelyn Peternel

Evelyn Peternel

Chinesen lächeln immer. Oder: Chinesen essen alles, das sich bewegt.

von Mag. Evelyn Peternel

über Denkschemata

Kein Land ohne Stereotype – auch China ist da keine Ausnahme. Die beliebtesten? Chinesen lächeln immer. Oder: Chinesen essen alles, das sich bewegt. Und nicht zu vergessen der Klassiker: Alles, was den Titel „made in China“ trägt, ist eine Fälschung.

Nach etwa einer Woche im „Land des Lächelns“ ist meine Expertise in Sachen Denkschemata zwar noch nicht auf wirklich professionellem Niveau, für ein paar Dinge hat es aber durchaus gereicht. Das vorläufige Fazit: Franz Lehars Stück bestätigt sich weitreichend. In dem Punkt, dass die kulturellen Unterschiede größer sind als gedacht - und auch in dem, dass man stets einen freundlichen Gesichtsausdruck serviert bekommt. Außer man versucht, einer wirklich lästigen Verkäuferin im größten Fake-Markt Pekings zu entkommen. Die quittiert die Antwort auf ihre Frage, woher man denn eigentlich komme, dann schon mal mit einem lauten „I don’t like Austria“.

Die Produkte dort sind übrigens, sagen wir mal, vielleicht nicht ganz echt. Oder möglicherweise Ausschussware aus einer der vielen Kleidungsfabriken in China. Oder gar tatsächliche Ware aus eben jenen Sweatshops, nur dass sie elegant am Wachpersonal vorbeigeschmuggelt worden ist.

Zugegeben wird das natürlich nicht – und sollte einem etwas unterkommen, das nach schlichtem Betrug aussieht, kann man es ja schließlich auch melden; hübsche Schilder an den Wänden der Fake-Einkaufstempel weisen nämlich in greller Schrift auf Hotlines hin, die sich der Jagd nach Produktpiraten verschrieben haben. Was passiert, wenn man dort anruft, ist allerdings fraglich.

Stereotypedreschen im Land des Lächelns

Die Schilder auf der Kleidung besagen jedenfalls, dass die vorliegende Markenware original sei – so original vermutlich wie jenes Schildchen, das mir im größten Schauzentrum für Kleidungsverkauf des Landes untergekommen ist: „Product of France“ stand da am BH-Bügel zu lesen – das stach mir ins Auge, während der Tourguide gerade extatisch erzählte, dass die hier produzierte Ware qualitativ erstklassig und original chinesisch sei.

Tatsächlich traditionell chinesisch ist das Essen - und eigentlich eher unspektakulär. Statt des vielzitierten Hundes wurde uns bisher nur gebratener Schweinefuß aufgetischt, daneben gab’s Seegurke in Marinade und frittierten Meniskus. Ein Erlebnis, das nicht unbedingt wiederholt werden muss. Deutlich interessanter ist es stattdessen, dem Gastgeber bei seiner Anstoß-Verpflichtung zuzusehen: Während der zumeist Ranghöchste die Gäste am (immer runden) Tisch abklappert, um mit jedem anzuprosten, leert sich natürlich sukzessive sein Glas; oftmals hat er dafür auch eine eigene Kellnerin zum Nachschenken im Schlepptau. Den Trunkenheitsgrad danach kann man sich selbst ausrechnen.

Stereotypedreschen im Land des Lächelns

Die Sitzordnung übrigens ist für einen China-Neuling anfangs auch ein Rätsel - gelöst verrät es einem aber so einiges über die Struktur der chinesischen Administration. Wer wo sitzt, sagt nämlich recht viel über den Status der jeweiligen Person aus. Links neben dem Gastgeber etwa darf sich der Nächsthöchste platzieren; steht er im Rang gar über dem Einladenden, so muss dieser ihm stets das Essen reichen. Eine recht schweißtreibende Angelegenheit. Danach geht es in der Rangordnung immer weiter abwärts – bis zu jenem Platz, der gegenüber des Gastgebers liegt – dort sitzt dann jene Person, die gar nichts zu melden hat.

Und hat man keine Ahnung, wer der Herr im Anzug ist, der plötzlich links neben dem Offiziellen sitzt, so kann man sich sicher sein - er ist aus der Partei. Denn dieses Vorurteil bestätigt sich in China auch: Die Partei ist überall. (Mehr dazu das nächste Mal.)

Die Autorin dieses Blogs befindet sich auf Rundreise durch China – auf Einladung eines der KP nahestehenden Think Tanks. Die Reise findet unter dem Motto „Understanding China“ statt und soll den Europäern die Reformen der Kommunistischen Partei näherbringen.

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