Die Menschen hinter den Arbeitslosenzahlen

Die Arbeitslosen von Margareten: Obmann Köhler und seine Kollegen am Stammtisch
Uwe Mauch

Uwe Mauch

Doch das hilft den Menschen hinter den großen Zahlen wenig. Wer arbeitslos ist, leidet.

von Mag. Uwe Mauch

über die Arbeitslosen von Österreich

Blog Nr. 1126: Zum Monatsbeginn wurden wieder die aktuellen Arbeitslosen-Zahlen präsentiert. Danach folgte ein österreichisches Ritual: Der Sozialminister und die AMS-Verantwortlichen bemühen sich, die Misere möglichst schön zu reden: Tatsächlich schaut es im Westen besser aus als im Osten. Doch das hilft den Menschen hinter den großen Zahlen wenig. Wer arbeitslos ist, leidet. Im Folgenden die Schilderungen von neun Menschen, die gerne arbeiten würden, aber nicht dürfen. Sie sind oder waren in Kursmaßnahmen, die vom Arbeitsmarktservice angeboten und auch gefördert werden.

„Das war ein böses Erwachen“

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Arbeitslose, Die Menschen hinter den Arbeitlosenzahlen. DÜRFEN NUR EIN MAL VERÖFFENTLICHT WERDEN!

Admir Beganovic, 18, Lehrling: „Das war ein böses Erwachen. Meine Freunde fanden nach der Schule sofort Arbeit, ich nicht. Ich gebe zu, dass ich zu lange zu faul zum Lernen war. Ich dachte, dass ich keine Noten brauche, weil ich ja eh Automechaniker werde. Heute weiß ich, dass das ein Fehler war. Ich bin bei allen Aufnahmetests durchgefallen, weil mir das Allgemeinwissen fehlte. Seit einem Jahr mache ich bei Jugend am Werk eine Lehre zum Kfz-Techniker. Das Blatt hat sich gewendet. Ich bin voll motiviert, ich will den Lehrabschluss schaffen. Und hoffe natürlich, dass mich eine Werkstatt nimmt.“

„Das war echt frustrierend“

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Melanie Farkas, 20, Lehrling: „Meine Eltern waren erpicht, dass ich die Matura mache. Aber ich bin über die siebente Klasse nicht hinausgekommen. Mir war das zu schwer. Alle anderen begannen dann mit einem Studium, und ich habe jeden Tag bis zehn Uhr geschlafen. Meine beste Freundin meinte, dass ich die Sandlerin in unserer Gruppe bin. Das war echt frustrierend. Seitdem ich hier in die Lehre gehe, habe ich eine 180-Grad-Wende vollzogen. Das Selbstbewusstsein ist wieder da, und ich darf beweisen, was ich kann. Mir ist klar, dass es für Frauen in technischen Berufen noch immer schwer ist.“

„Immer habe ich mich geniert“

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Sinan Turan, 28, Kursteilnehmer: „Ich hatte eine schwere Kindheit und Jugend. Gewalt war immer ein Thema. Ich habe dann sieben Jahre lang im Gastgewerbe gearbeitet, ohne Ausbildung, 80 Stunden pro Woche, aber geringfügig beschäftigt. Viel zu spät habe ich verstanden, dass ich ausgebeutet werde. Immer habe ich mich geniert. Meine Cousins sind viel jünger als ich, und jeder hat bereits eine Ausbildung. Jetzt will ich noch einmal durchstarten. Schritt für Schritt. Zunächst möchte ich mit Hilfe von Jugend am Werk die Lehre als Koch abschließen. Und vielleicht nimmt mich dann wer. Ich kann anpacken.“

„Da gab es keine Wertschätzung“

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Yvonne Scharrenbroich, 34, Kursteilnehmerin: „Auch ich habe eine schlimme Kindheit hinter mir. Ich bin daher früh von zu Hause ausgezogen. Um mir die Wohnung leisten zu können, machte ich drei Jobs gleichzeitig. Nach Abschluss der Friseurlehre habe ich 18 Jahre lang im Gastgewerbe gejobbt. Bei Heurigen, in Diskotheken, Restaurants. Immer Vollzeit beschäftigt, aber nur Teilzeit oder als Geringfügige verdient. Da gab es keine Wertschätzung. Vor vier Jahren habe ich erfahren, dass ich den Lehrabschluss nachmachen kann. Aber ich musste sehr hartnäckig sein, bis mir das AMS dazu die Chance geboten hat.“

„Das ist kein schönes Gefühl“

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Yulianna Kudernatsch, 35, Managerin: „Ich habe immer gearbeitet. Schon während des Studiums in Lemberg als Aerobic-Trainerin, und nach dem Studium sieben Jahre lang in führenden Positionen im Marketing. Nach der Geburt meiner Tochter und der Übersiedlung nach Wien suche ich Arbeit. Doch das ist schwer. Das ist kein schönes Gefühl, zu anderen Menschen und zur eigenen Tochter zu sagen, dass ich arbeitslos bin. Ich habe mich überall beworben, sogar als Sachbearbeiterin und Lagerarbeiterin. Aber auch da komme ich nicht weiter, sie sagen, dass ich dafür überqualifiziert bin.“

„Das Gefühl, dass ich stagniere“

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Behnaz Pooramoo, 35, Lehrerin, Maklerin: „Ich stamme aus einer Familie, in der alle arbeiten. Auch ich habe immer gearbeitet: nach dem Studium für englische Literatur in Teheran als Sprachlehrerin; auch in Dubai fand ich sofort Arbeit. Hier in Wien habe ich hingegen das Gefühl, dass ich stagniere. Mit meiner Betreuerin im abz* austria habe ich jetzt einen Karriereplan erstellt: Zuerst muss ich mein Deutsch verbessern, dann bin ich vielleicht auch wieder für internationale Firmen interessant. In der Zwischenzeit könnte ich mich als Sozialpädagogin im Flüchtlingsbereich beruflich engagieren.“

„Bis jetzt gab es leider nur Absagen“

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Krystyna Jrad, 43, Technikerin: „Ich habe im Februar das fünfsemestrige Programm ,FIT – Frauen in die Technik’ erfolgreich abgeschlossen. Doch bis jetzt ist der ursprüngliche Plan, als ausgebildete Wirtschaftsingenieurin leichter einen Arbeitgeber zu finden, nicht aufgegangen. Bis jetzt gab es leider nur Absagen. Gut, die Anforderungen sind hoch. Aber ich habe für diese Zusatz-Ausbildung viel Zeit investiert, hatte dadurch weniger Zeit für meine Kinder. Und am Ende stehe ich noch immer ohne Job da. Man wird ja auch nicht jünger. Experten sprechen heute davon, dass du es mit 40 plus schwer hast.“

„Dann hat man mich gekündigt“

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Erkan Bora, 46, Apotheker: „Ich habe immer gearbeitet. Sieben Jahre lang habe ich in Istanbul eine eigene Apotheke geführt. Zwanzig Jahre war ich in Firmen beschäftigt, die im Gesundheitsbereich tätig sind. Nach meiner Übersiedlung nach Österreich habe ich vier Jahre lang in einem Hotel in Vösendorf gearbeitet. Eine Hautkrankheit zwang mich in den Krankenstand. Dann hat man mich gekündigt. Vom Herzen gerne würde ich wieder in meinem Beruf als Apotheker arbeiten. Doch jetzt mache ich eine Lehre zum Koch-Kellner, nur deshalb, weil ich mich nicht traute, dem Berater beim AMS zu widersprechen.“

„Für mich ist das AMS mehr ein Kabarett“

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Dietmar Köhler, 73, Maschinenbau-Ingenieur im Ruhestand, Obmann beim Verein „Zum Alten Eisen?“: „Ich war dreißig Jahre im Export tätig und bin dann arbeitslos geworden. Ich habe AMS-Kurse in diversen Instituten besucht, alle waren sinnlos. Da ist eine eigene Industrie entstanden, die kaum was weiterbringt. Ärgerlich sind auch die AMS-Betreuer. Einer hat Freude strahlend gemeint, dass er einen Job für mich hat: Als Expeditleiter. Er hat Expedit mit Export verwechselt. Das kommt raus, wenn die Betreuer keine Zeit mehr haben, um mit Jobsuchenden zu reden. Für mich ist das AMS mehr ein Kabarett.“

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