Franz West: Sexualitätssymbol (1999)

Franz West: Sexualitätssymbol (1999)
Eine symptomatische Skulptur in der Sammlung Essl.
Michael Huber

Michael Huber

Eine Weile stand das " Sexualitätssymbol" (1999) für Besucher, Passanten und Radfahrer deutlich sichtbar vor dem Eingang des Essl Museums in Klosterneuburg. Nach einem Vandalenakt im Jahr 2011 - der übrigens nicht der einzige gewesen war - wurde das Werk, das mit einem Kreis und einem phallischen Stab recht eindeutig auf den Sexualakt Bezug nimmt, ins Innere des Museums verlegt.

"Kunst? Essl die Sau!" hatte der Vandale auf das rosa lackierte Aluminium gesprüht: So etwas also kann passieren, wenn Kunst die öffentliche Sphäre penetriert. Nachdem der Sammler und Mäzen nun mit seinem Wunsch nach einem Ankauf der Sammlung durch die Republik erneut in die Öffentlichkeit vorgedrungen ist, drücken sich die Kunst"freunde" in den diversen Online-Foren nicht unbedingt gewählter aus. Menschen aus der Kunstszene überschütten Essl etwas subtiler mit Säure.

Grenzüberschreitung

Wests Werk kann in mehrerer Hinsicht für eine Grenzüberschreitung stehen: Es kehrt zunächst eine intime Angelegenheit ins Monumentale um, was verstört - auch wenn die Übersetzung ins Künstliche allein schon durch die grobe Form und die rosa Farbe offensichtlich ist. Doch stößt diese Künstlichkeit an die traditionelle Definition dessen, was viele Menschen gern als "Kunst" betrachten - es fehlt das Schöne, das Raffinierte, das Kunsthandwerk.

Franz West: Sexualitätssymbol (1999)

Innerhalb der Kunstsphäre kann all dies im Kontext anderer Bildhauerei und verschiedener sonstiger Entwicklungen diskutiert werden. Franz West, der 2012 verstarb, war auch stets einer, der das Biotop seiner Künstlerkollegen schätzte und brauchte. Dass ein Verbund aus "Eingeweihten" für Außenstehende oft unverständlich und daher verdächtig wirkt, liegt in der Natur der Sache. Dennoch: Szenen und scheinbar "abgehobene" Zirkel sind notwendig, damit Kunst entstehen kann.

Der Geschäftsmann und Kunst-Enthusiast Karlheinz Essl liebt die Nähe zu Künstlern, hat aber zugleich die Vermittlung auf seine Fahnen geschrieben - sein Museum war nie ein hehrer Tempel, sondern ein offenes Haus, was nicht zuletzt die vielen Angebote für Kinder und Familien demonstrieren.

Essls aktuelles Ankaufsangebot lässt sich - ungeachtet aller wirtschaftlichen und politischen Details - durchaus auch als nächster Schritt dieses Vermittlungsprogramms begreifen: Wie schön wäre es doch, wenn diese Kunst wirklich der Allgemeinheit zur Verfügung stünde, mag er sich denken.

Möglich, dass Essl dabei die Barrieren, die nach wie vor zwischen Kunstsphäre und öffentlicher Sphäre bestehen, dabei unterschätzt und seine Mission im Dienste der Kunst etwas naiv mit "nationalem Interesse" gleichgesetzt hat. Doch es wäre auch naiv zu glauben, dass sich Kunst, die ihre Sphäre nun einmal zum Leben braucht, allseits akzeptiert sein muss, um von "nationalem Interesse" zu sein.

In diesem Sinn kann Franz Wests Skulptur - in der die Kreisform ja auch in beiden Richtungen penetriert wird - auch als Symbol für mehr Toleranz gelesen werden: Auch die, die mit Kunst (im Essl Museum und anderswo) nichts anzufangen wissen, mögen zweimal nachdenken, bevor sie über Steuergeldverschwendung schimpfen. Umgekehrt macht eine Szene, der angesichts eines Vorstoßes aus den eigenen Reihen nichts besseres einfällt, als in Neiddebatten zu verfallen, auch keine gute Figur. Wenn Kunst und öffentliche Sphäre einander durchdringen, kann das eben ein bisschen wehtun. Aber auch sehr lustvoll sein.

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