Klimagipfel: Viel zu wenig, viel zu spät

Klimagipfel: Viel zu wenig, viel zu spät
Bis Freitagnacht soll ein Vertrag zum Schutz des Weltklimas ausverhandelt sein. Die Zeit wird knapp.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

In der Nacht auf Donnerstag haben die letzten Verhandler erst gegen halb sechs Uhr Früh ihre Laptops zugeklappt. Und alles spricht dafür, dass auch in der Nacht auf Freitag, wahrscheinlich auch von Freitag auf Samstag durchgearbeitet wird.

Verhandeln seit 21 Jahren

Der UN-Klimagipfel in Paris steht auf der Kippe. Es geht um nichts weniger, als die Zukunft unseres Planeten. Die Konferenz soll die Erderwärmung bremsen, die wissenschaftlich erwiesen durch den Menschen verursacht wird, weil fossile Brennstoffe seit Beginn der industriellen Revolution in die Atmosphäre ausgestoßen werden. Nun soll vertraglich vereinbart werden, dass so rasch wie möglich alle Staaten ihre Wirtschaftssysteme von Fossilenergien auf erneuerbare Energien umstellen. Seit 21 Jahren finden jeweils im Dezember UN-Klimagipfel statt. Bisher ist es nicht gelungen, die derzeit 196 Vertragsstaaten von einem für alle verbindlichen, nachhaltigen Klimavertrag zu überzeugen.

Schielen auf einen Wahlerfolg

Der Gipfelchef, Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, arbeitet mit einer Armada an Klimaexperten, Juristen und Diplomaten seit über einem Jahr an einer Lösung. Für die regierenden Sozialisten in Frankreich wäre ein Erfolg überdies von Vorteil angesichts der bevorstehenden Regionalwahlen.

Streit um [Klammern]

Gefeilscht wird unter den Staaten über jeden der 148 Paragrafen des 29-seitigen Dokuments. Noch sind 379 eckige Klammern im Text, die nun, eine nach der anderen, wegverhandelt werden müssen. Es sind simple Worte in diesen Klammern, die für so viel Kopfzerbrechen sorgen, etwa ob solle [shall] oder sollte [should] im Vertrag steht. „Solle“ hat einen verpflichtenden Charakter, „sollte“ gleicht juristisch mehr einer Empfehlung, der nicht nachgekommen werden muss.

2°-Ziel

Strittig ist, ob das Klimaziel „deutlich unter 2°C“ (gemeint ist der Anstieg der Erderwärmung zu vorindustriellen Temperaturen) festgeschrieben wird, oder doch schon „1,5°“, wie das die Inselstaaten fordern, die befürchten, durch den Meeresspiegelanstieg im Meer zu versinken. Gestritten wird aber auch, ob alle Staaten Emissionen reduzieren sollen, oder nur Industrie- und Schwellenländer. Oder nur die Industrieländer aufgrund der im Vertrag festgehaltenen „historischen Schuld“ am Klimawandel. Und offen ist auch die Frage der Klimafinanzierung.

Spät aber doch

In der Nacht auf Freitag will Gipfelchef Fabius einen neuen Kompromissvorschlag vorlegen. NGO befürchten, dass der Vertrag immer mehr aufgeweicht wird, was dem Klima letztlich nicht mehr helfen wird. Viele Forscher sind schon wütend: „Sollte der Klimagipfel nicht rasch sehr ambitionierte Ziele vorlegen, müssen wir leider davon ausgehen, dass viel zu wenig viel zu spät unternommen wurde“, urteilt etwa die Eis- und Gletscher-Forscherin Pam Pearson.

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