Ja, wo laufen sie denn?

Peter Draxler

Peter Draxler

Gefragt sind nicht Erklärungen für die komplexen Probleme unserer Zeit, sondern markige Sager .

von Peter Draxler

über den Medienhype um die US-Wahl

Das Rennen ist eröffnet. Die Meute bricht los. Die Kameras laufen auf Hochtouren und die Zuschauer jubeln. Nach jeder Runde stehen die Experten und analysieren wer, wann, wo und warum die womöglich entscheidenden Fehler gemacht hat. Ziel des Rennens, das am vergangenen Donnerstag gestartet wurde, ist 1600 Pennsylvania Avenue NW in Washington D.C. Mit dem Zieleinlauf wird in den frühen Morgenstunden des 3. November 2016 gerechnet. Dann wird klar sein, wer zumindest die nächsten vier Jahre im Weißen Haus residieren und der oder die nächste POTUS - President Of The United States of America - wird. Denn am 2. November 2016 wird ein neuer US-Präsident gewählt, vergangenen Donnerstag starteten die Republikaner mit ihrer ersten TV-Diskussionsrunde in den Vorwahlkampf.

Von der Inszenierung des "Rennens um das Weiße Haus" können sich Sportveranstaltungen einiges abschauen. Nicht umsonst ist in diesem Zusammenhang oft von horse race journalism die Rede. Dem Erkenntnisgewinn für die Zuschauer sind derweil enge Grenzen gesteckt. Denn die Fokussierung darauf, wer denn in den Umfragen gerade vorne liegt, verdrängt nur zu oft die inhaltlichen Debatten. So weit, so bekannt, immerhin ist der horse race journalism keine Erfindung des neuen Jahrtausends, sondern tauchte bereits in den 1970er Jahren erstmals auf.

Keine Aussage zu unwichtig

Doch im Jahr 2015 muss politische Berichterstattung viel lauter schreien, um in der Vielzahl der Unterhaltungsangebote noch gehört zu werden. Und so ist kein Detail zu klein, keine Aussage zu unwichtig, keine Frisur zu jenseitig, um dahinter nicht einen "Gamechanger" zu wittern - Analyse und Hintergrundberichte inklusive. Bis ein Mitbewerber mehr oder weniger freiwillig ins Rampenlicht tritt. Und das Rad von neuem zu laufen beginnt. Ein besonders beliebter Antrieb sind Meinungsumfragen. Geht es nach den aktuellen US-Polls wird Donald Trump als Kandidat der Republikaner nominiert werden (Spoiler: wird er nicht!). Der Statistiker und Wahlforscher Nate Silver hat sich diesbezüglich auf Twitter zu Wort gemeldet:

Die detaillierte Erklärung, warum Silver recht hat, finden Sie hier. Kurz zusammengefasst: Die Daten der Umfragen legen in der Tat den Schluss nahe, dass Donald Trump das Rennen (!) um die republikanische Nominierung anführt. Das Problem: Die Fragestellungen und vor allem die Auswahl der Befragten gehen von völlig falschen Voraussetzungen aus. Aber ein kontroverser Milliardär als möglicher US-Präsident – das ist schon eine Geschichte, die man sich nur ungern zu Tode recherchiert.

Eine weitere Facette des modernen Polit-Journalismus US-amerikanischer Prägung lässt sich unter dem Stichwort "sound bites" zusammenfassen. Diese Art der Berichterstattung (auch bei uns auf dem Vormarsch) zollt der Tatsache Tribut, dass die Aufmerksamkeit der Medien und deren Konsumenten ein sehr rares Gut ist – gefragt sind nicht Erklärungen für die komplexen Probleme unserer Zeit, sondern markige Sager (hier kommt Donald Trump wieder ins Spiel).

Schnappatmende Berichterstattung

Vor den Kandidaten liegen 15 reise- und debattenintensive Monate, von Bundesstaat zu Bundesstaat, von townhall meeting zu townhall meeting, von (Vor-)Wahl zu (Vor-)Wahl. Vor den Medienkonsumenten liegen 15 Monate voller schnappatmender Berichterstattung, voller Prognosen und Analysen und voller Spannung. Denn natürlich ist es höchst interessant, wer in Zukunft die Geschicke der USA leiten wird. Das Rennen ist aber bei nüchterner Analyse nur selten so spannend, wie mediale Dramaturgie vermuten lässt.

PS: Abseits des Umfragerennens bietet US-Wahlkampf übrigens eine Vielzahl an interessanten Aspekten, die aufzugreifen sich lohnt. Unter OpenSecrets.org findet sich etwa eine tagesaktuelle Auflistung, wer wieviel für welchen Kandidaten gespendet hat. Der KURIER wird Sie auf dem Laufenden halten.

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