Hass und Häme

Wenn es um die Flüchtlingsthematik geht, scheint unsere Diskussionskultur am Ende zu sein. Sollen wir es einfach lassen?
Christina Pausackl

Christina Pausackl

Die einen ärgern sich über die Dummheit der anderen, und die anderen, dass sie für dumm verkauft werden.

von Christina Pausackl

zur Asyldebatte

"Bitte", flüstert die Kellnerin, eine schmächtige Frau Ende dreißig, "bitte, reden Sie hier nicht über dieses Thema." Und es klingt fast wie ein Flehen und Verzweiflung liegt auf dem blassen Gesicht. Es ist ein Abend Anfang Jänner in einem kleinen Café in der Stadt Salzburg, unweit vom Schloss Mirabell. Auf den Barhockern an der Schenke sitzen drei Männer, rauchen, trinken Bier, und starren auf den Fernsehbildschirm, der über ihnen an der Wand hängt. Am Tisch daneben unterhalten sich zwei Besucher aus Wien über jenes Thema, das hier zum Tabu erklärt wurde: Flüchtlinge, Asyl, Politik. Als die Kellnerin bemerkt, dass die Männer an der Schenke nichts von dem Gespräch mitbekommen haben, atmet sie tief durch. Es ist jetzt jedes Mal ein tiefes Durchatmen, wenn der letzte Gast die Tür hinter sich schließt und sie den Tag ohne große politische Diskussionen überstanden hat. Im vergangenen Jahr dachte sie oft daran, ihren Job aufzugeben, erzählt sie, weil sie nachts nicht schlafen konnte, weil sie es schlichtweg nicht mehr ausgehalten hätte - diese Diskussionen, diese Hetze, diesen Hass. Seit Anfang des Jahres, seit es die Abmachung gibt, sei es besser, sagt sie. Das kleine Café ist eines von jenen, in denen meistens dieselben Menschen sitzen, und die haben nun eine Vereinbarung getroffen. Sie lautet: Schweigen. Einfach nicht mehr darüber reden.

Die Abschottung

Reden wir nicht mehr darüber; lassen wir es einfach bleiben; es bringt nichts. - Sätze, die ich dieser Tage immer öfter höre. Bekannte erzählen von Abmachungen wie jene im Salzburger Café, die sie mit Verwandte getroffen haben, um den Familienfrieden zu wahren. Um Beziehungen zu schützen. Andere von ihren Strategien, um diesem Thema gänzlich zu entkommen: Keine Kommentare durchlesen, kein Facebook, kein Twitter, keine Nachrichten. Jeder Diskussion aus dem Weg gehen. Absolute Abschottung. Sie sind übersättigt, sagen sie. Und müde. Müde verärgert zu sein, müde zu diskutieren, müde von der Hetze. Sie sagen, es sei sinnlos. Wenn es um die Flüchtlingsthematik geht, scheint unsere Diskussionskultur einem Endpunkt nahe zu kommen. Blicken Medien im Jahr 2016 auf ihre Leserkommentare, schauen sie in einen Abgrund: rassistische Reaktionen zwischen Beleidigungen und wüsten Beschimpfungen. Konstruktive, bereichernde Beiträge tauchen oft unter in einer Suppe voll Hass. Auch Redaktionen denken immer öfter darüber nach, einen Rückzieher zu machen. Die Kommentarfunktion für gewisse Artikel zu sperren oder sie gänzlich abzuschalten. Die vermeintliche Errungenschaft der Lesereinbindung wieder aufzugeben. Weil sich das Übel nicht mehr unter Kontrolle zu halten scheint.

Die Häme

Während sich die einen Abschotten oder schlichtweg nichts mehr sagen, verfolgen andere die Strategie der Häme. Die scheinbar Überlegenen machen etwa Screenshots von Hasspostings und verbreiten sie mit empörten oder möglichst originellen Kommentaren weiter. Man könnte argumentieren, dass sie damit ein Bewusstsein schaffen, auf das Unrecht aufmerksam machen, eine abschreckende Wirkung erzielen. Sieht man sich aber das Ausmaß und die Dynamik der Hasspostings in den vergangenen Jahren an, scheint das wenig geholfen zu haben - diese Listen der dümmsten Kommentare der Trolle, das Hinweisen auf die Rechtschreibfehler, auf die Kleingeistigkeit, auf ihre, ja, Dummheit. Oft ist es nicht mehr als ein Lustigmachen, ein billiges Bloßstellen. Und ja, es kann verlockend sein - auch weil man damit etwas für sich selbst rausholen und nach vielen Likes und Retweets fischen kann. Aber vor allem ist es einfach. So einfach wie fünf Rufzeichen hinter Pauschalurteile zu setzen und sie ins Netz zu werfen. Und überhaupt: Ist Häme viel besser als Hass? Nichts davon bringt uns weiter. Es entfernt uns nur weiter.

Die einen ärgern sich über die Dummheit der anderen, und die anderen, dass sie für dumm verkauft werden. Die einen wollen gar nichts mehr sagen, weil die anderen nichts mehr hören oder nur hassen wollen. Was folgt sind Aufgabe, Abschottung, oder Abmachungen des Schweigens. Wenn wir davon ausgehen, dass wechselseitige Kommunikation der Verständigung dient, der Problemlösung, und wir genau damit nun aufhören, weil sie zu mehr und mehr Unverständnis und Unmut führt, weil sie weitere Probleme schafft, befinden wir uns in einem furchtbaren Dilemma. Wir sind weit von einem Konsens beim Thema Flüchtlinge und Asyl entfernt. Den zu finden, wird ohnehin schwer, aber unmöglich, solange wir nicht lernen, wieder miteinander zu reden und unsere Emotionen zu zügeln. Zu diskutieren ohne unsere Haltung zu verlieren. Und das beginnt mit Respekt. Mit einem Mindestmaß an Respekt für den anderen. Den brauchen wir dringend.

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