2013: Überraschungen, Enttäuschungen und Newcomer

Cid Rim ist einer der Newcomer 2013.
Marco Weise

Marco Weise

Das mitunter Schönste 2013 war das Zusammenspiel einiger Crews und Leute

von Marco Weise

über Newcomer, Überraschungen und Enttäuschungen des abgelaufenen Clubjahres.

Man wurde zwar in den letzten Wochen von diversen Jahresrückblicken gelangweilt, vom persönlichen Jahreshoroskop erneut enttäuscht und an einen Neujahrsvorsatz kann man sich auch nicht mehr erinnern: War da was? Egal.

Zum Einstieg ins neue Blog-Jahr lasse ich an dieser Stelle wieder Kenner der Szene zu Wort kommen. In Teil 1 berichten sie über die Überraschungen, Newcomer und Enttäuschungen des abgelaufenen Jahres. Teil 2 (nächste Woche) beschäftigt sich dann mit persönlichen Einschätzungen und Wünschen.

Überraschung des Jahres 2013?

Johannes "Laminat" Piller (DJ, Musikredakteur bei The Gap): Dass so viele Leute in Wien so viel guten Output veröffentlicht haben: 7 Citizens, Roman Rauch, Alex Bayer, Fabe, Denis Yashin, Ken Hayakawa, Elektro Guzzi, Cid Rim, Ogris Debris, Herla, Florian Blauensteiner, Julian und der Fux, Woodcut, Konea Ra, Motsa, salute, A:lex, Phil Madeiski und die Luv Shack Crew. Die Reihenfolge ist hier vollkommen subjektiv und ich habe sicher jemanden vergessen. Wenn man sich das vor Augen führt und mit der Situation von vor fünf Jahren vergleicht, ist das eine enorme Steigerung in vielerlei Hinsicht.

Max "Moogle" Zeller (DJ, Waves-Booker, Musikredakteur beim The Gap): Von einer Überraschung zu sprechen, ist etwas übertrieben, aber es ist schön zu sehen wie sich die Grelle Forelle durch gutes Booking, richtige Entscheidungen und harte Arbeit nach vorne gespielt hat.

2013: Überraschungen, Enttäuschungen und Newcomer

Katharina Seidler (FM4-Redakteurin/Fortgeh-Expertin im Falter): Musikmäßig: Die nach sieben Jahren wundersame Rückkehr des James Holden mit dem Jahrzehntealbum „The Inheritors“. Clubszenebezogen: der unglaubliche Erfolg der diversen sonntäglichen Outdoor-Partys im Sommer. Die feine neue Location des Werks. Patrick Pulsingers Kuratierung des Popfestes.

2013: Überraschungen, Enttäuschungen und Newcomer

Markus "Amblio"Blahus (DJ/Veranstalter): Viel Neues gab es nicht unbedingt, aber 2013 hat vor allem gezeigt, dass die besten Parties in den eher kleineren Clubs wie dem Celeste, dem neuen Morisson, Roxy oder auch dem Werk stattfanden. Eine handvoll junge, engagierte und sehr passionierte neue Kollektive haben sich in den Clubs breit gemacht und haben neben ganz viel positiver Energie auch das richtige Händchen. Im House- & Technobereich sind die Leute von Pomeranze, Homewerk, Tiefentanz und Deep Dreams hier besonders eine Erwähnung wert.

Newcomer des Jahres 2013?

Johannes Piller: International war das für mich Helena Hauff. Neben einer nahezu kompletten Social Media Verweigerung, was heutzutage kaum vorstellbar ist, zeigt sie als Pudel-Resident (bester Club in Hamburg) sowohl als DJ wie auch Live, dass gehaltvoller Electro und Darkwave in rotziger DIY-Haltung uns 2014 stark beschäftigen wird. Ihre komplett analogen Produktionen stehen im krassen Kontrast zu den Laptop-Sample-Kits, die gerade im schlechten Edit-Bereich inflationär verwendet werden.

Markus Blahus: Der Detroiter Jay Daniel versteht es seine Herkunft und sein Produktionstalent sehr elegant zu verknüpfen und wird 2014 noch vielgebuchter Gast in Europa sein. Honorable mention: Max Graef. Mit dem jungen salute darf Wien wieder einen bärenstarken Nachwuchsproduzenten und DJ im Post-Genrezeitalter sein Eigen nennen, der bereits hohe Wellen schlägt. Man kann noch viel Schönes von ihm erwarten.

Max Zeller: DJ Rashad.

Katharina Seidler: Sophie. Ein Track des Jahres ohne Kickdrum, das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Siehe auch bestes Live Set.

Bester Local-Act 2013?

2013: Überraschungen, Enttäuschungen und Newcomer

Johannes Piller:Salute hat mich gewaltig überrascht. Vom Sound her nicht ganz meines, aber der Junge strotzt vor Talent. Dieser ist übrigens am 24.01. im Rahmen einer Austrian Artist Night presented by The Gap in der Pratersauna zu hören. Ebenso muss ich hier die beiden Jungs von Herla erwähnen. Gelungener erster Release auf Skwerl's Label Birdkids. Da hört man sofort, wo sie mit diesem Sound hin wollen.

Markus Blahus: Die besten Sets spielten meines Erachtens nach Cid Rim, The New Tower Generation, Janefondas und noch nicht zu lange mit dabei, hat es aber schon faustdick hinter den Ohren: Thomé Rozier von der Pomeranze.

2013: Überraschungen, Enttäuschungen und Newcomer

Max Zeller:Cid Rim und der blutjunge Wiener Producer Salute. Er wirbelt die Discocommunity seit Kurzem auf. Nicht nur seine gehypten Tracks sprechen für sich, auch seine DJ-Sets begeistern in Clubs von Café Leopold bis Pratersauna.

Katharina Seidler: Die Antwort ist einfach: Salute.

Clubs: Top 3 in Wien im Jahr 2013?

Johannes Laminat: 1. Grelle Forelle: Die Jungs haben sich gemausert. Das liegt vor allem an dem neu aufgestellten Team rund um Matthias Balgavy. 2. Pratersauna: Pool und Garten im Sommer, Prater Unser Festival und die Veranstaltung Praterei machen die Sauna noch immer zu einer fixen Größe in Wien. 3. Rhiz: Knackig, kompakt und am Puls der Zeit. Mein Lieblings-Gürtellokal.

Markus Blahus: Von der Anlage, den Bookings, dem Publikum, den VeranstalterInnen, der Innovation und der Ausrichtung geht aber an diesen 3 Clubs noch (!) nichts vorbei. Pratersauna, Grelle Forelle, Café Leopold.

Max Zeller: 1. Grelle Forelle, 2. Celeste, 3. Pratersauna

Katharina Seidler: Celeste (immer noch absolut auf dem aufsteigenden Ast), Brut (ewiger Lieblingsort, wenn auch kein Club im klassischen Sinne), Pratersauna (auch wenn es dort aktuell zu viele Studentenfeste für meinen Geschmack gibt, aber weil sie mit dem Lighthouse jetzt auch ein eigenes Festival hat).

Bestes Set 2013?

Johannes Piller: Kommt von Galcher Lustwerk, einer der vier Jungs rund um das New Yorker Label White Material. Downgestrippter House mit fast schon gerappten Vocals.

Markus Blahus: Mein persönliches musikalisches Highlight dieses Jahr war das Set von Leon Vynehall im Oktober im Café Leopold. Er begann mit Born Under Punches von den Talking Heads, spielte eine Stunde lang feinste Disco- und Soul-Platten, nur um dann zu seinen eigenen Produktionen überzugehen und den Salon schlussendlich komplett im Acid zu ertränken. Verrückt und einfach nur großartig.

Max Zeller: Für mich persönlich war es Detroit Legende Theo Parrish, der heuer in der Grellen Forelle ein fantastisches und vor allem vielseitiges und hochmusikalisches Dreieinhalb-Stunden-Set gespielt hat.

Katharina Seidler: Sophie live in der Pratersauna bei e-nix. Der hat für hoffentlich in Kürze folgende Platten noch so einige bunte Ideen im Köcher.

Enttäuschung 2013?

Johannes Piller: Dass sich endlich jeder "DJ" statt mit Minimal nun mit dem Genre Deep House selbst schubladisiert.

Markus Blahus: Aus meiner Sicht ist es immer schade wenn sich große Clubs vermehrt an riesen Studentenfestln mit wenig bis keinem musikalischen Mehrwert versuchen und ihre eigene Basis dabei aus den Augen verlieren. Hoffentlich ist das nur eine Phase.

Max Zeller: Die Schließung des alten Morisson Clubs neben der Falcostiege tat weh. Ich werde die Location vermissen. Gottseidank haben die Betreiber eine neue Heimat in der Zieglergasse gefunden. Ebenfalls ist es sehr schade, dass im Hundsturm und in der Schönbrunner Strasse 111 keine Veranstaltungen mehr stattfinden können.

Katharina Seidler: Der Morisson Club musste und muss weiterhin mit Soundproblemen kämpfen. Das Chaya Fuera. Etwas off-topic, aber: die Schließung der exzellenten Online-Soundboutique Zero Inch.

Fortgehtipps für die kommenden Tage:

Unter dem Namen Neni Art Collective machen die Molcho-Buben Partys. Am Freitag steigt die nächste in einer „Secret Factory“. So "secret" ist das Ganze dann gar nicht, weil da jetzt schon 400 Leute auf Facebook zugesagt haben. Auch die Location ist bekannt: Wallgasse 39 im 6. Wiener Gemeinedbezirk. Dort setzen die Nenis seit geraumer Zeit auf Kunst und Party. Und so gibt es am Freitag erneut eine Vernissage - gezeigt werden Fotos von den letzen Partys - mit anschließender Sause. Könnte eng werden, dort.

Eine Woche bevor die Burschenschafter in der Hofburg ihren Ball feiern, tanzen die Gegner dieser fragwürdigen Veranstaltung für eine menschenwürdige Asylpolitik. Beim WTF?!- Ball werden diverse Kollektive ihren Robert Babic wird bei der Meuterei in der Grellen Forelle seinen zugänglichen, dezent verseuchten (Acid!) wie melodiösen TechHouse präsentieren.

Im Leopold tanzt man beim Bande Á Part zu den Beats von Chaos in The CBD. Erneut ein tolles Booking der Jungs. Deep, housig und discoid wird es werden. Den Rest erledigen Bolek, Woodcut, Matijae von der Prasselbande, Bernhard Tobola von der Tingel Tangel-Crew und meine Wenigkeit. Ja, auch ich spiele Platten.

Gewinnspiel: Wir verlosen für das Bande À Part 1x2 Karten. Eine eMail mit dem Betreff "CBD" an kult(at)kurier.at genügt. Die Gewinner werden verständigt.

Im Celeste trifft Giorio vom bubble club auf den Youngster Noel D, der mit seinen jungen Jahren schon ordentlich im Geschäft ist. Für die visuellen Eindrücke beim Glow, so der Name der Veranstaltung, sorgt Ferdinand Glücklich, der seit geraumer Zeit mit Beamer und Co. durch die Clubs zieht. Gut so.

In der Auslage gibt es eine Rückkehr, eine Art Comeback: Nach ganz genau 561 Tagen Abwesenheit wird es wieder ein Didyouknow… geben. Dafür wurde der in Wien beheimate House-Produzent Dux eingeladen, der seine lässigen Tracks live vorstellen wird.

Die Musikplattform klingt.org lädt zum Geburtstag. 14 Jahre wird man alt. Es gratulieren unter anderem folgende Bands: Bulbul, Skylla und Shrack. Klingt nach einer schrägen Nacht.

Schicker und vor allem bürgerlicher geht es hingegen in der Pratersauna zur Sache. Am Programm steht der Techno Ball, bei dem bereits zum 5. Mal das Tanzbein im 4/4-Takt geschwungen wird. Zum Motto „Alles Techno!“ kann man dann gediegen im Anzug und Abendkleid, aber auch im eher unkonventionellen Outfit feiern. Neben vier Floors und 25 DJs aus der Ecke House bzw. Techno, kann man die misslungene Ballfrisur bei der "Styling-Ecke" richten lassen oder einfach nur den Lidschatten nachziehen.

In der Auslage machen sich zwei Veranstalter-Crews (Imola Music und Little Helpers) ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Mit ein paar Jahren Verspätung holen sie Sean O’Neal nach Wien. Der als Someone Else bekannte DJ und Produzent wurde 2006 vom Groove Magazin zu einem der weltbesten Live Acts gewählt. Acht Jahre danach kann man sich den Herren wohl endlich leisten, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen.

Gewinnspiel: Wir verlosen für die Party in der Auslage 1x2 Karten. Eine eMail mit dem Betreff "Imola" an kult(at)kurier.at genügt. Die Gewinner werden verständigt.

Im Leopold heißt es: Alles Gute, Canyoudigit. Zelebriert wird der 4. Geburtstag mit dem aus Paris stammenden Stwo und anderen Soundtüftlern, die jede Genregrenze locker überspringen. Musikalisch ist das Ganze zwischen Trap, UK Garage, Future-R&B und Slow-Motion-House angesiedelt. Aber hört selber:

Die berühmte Argonauten-Sage aus dem antiken Griechenland wird vom literarischen Shooting Star Vea Kaiser ("Blasmusikpop") spannend, mitreißend, voller Komik und Tragik im Rabenhof Theater zum Leben erweckt. Das kann man sich ansehen (siehe auch Video unten). Am Sonntag zum Beispiel. Alternativen dazu gibt es genug: Wie wäre es mit einem guten Film? Derzeit sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Persönlich empfehlen kann ich "Only Lovers Left Alive" - ein elegisches Meisterwerk von Jim Jarmusch. Alleine die ersten 30 Minuten, in denen Tom Hiddleston als lebensmüder Vampier seine neuen Gitarren auspackt, sind großartig. Ausführliche Filmkritiken gibt es hier.

Die aus Deutschland stammende Indierock-Institution Slut ist nach 20 Jahren Bandgeschichte noch immer nicht müde. Man mus als Fan zwar schon mal fünf Jahre auf neuen Output warten, aber dieser hat es dann auch meist in sich. "Alienation" heißt das neue Werk, auf dem die Jungs rund um Sänger Christian Neuburger erneut mit Händchen für lässige Akkordfolgen und schöne Texte, die man vorzugsweise im unpeinlichen Englisch verfasst hat, unter Beweis stellen. Ein Talent, mit dem leider nicht sehr viele andere Bands aus Deutschland gesegnet sind. Von Slut kann man sich am Dienstag im WUK überzeugen.

Gewinnspiel: Wir verlosen für das Konzert von Slut 2x2 Karten. Eine eMail mit dem Betreff "Alienation" haben an kult(at)kurier.at.

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