Viele kleine Schritte zu neuen Sanktionen

Kanzlerin Merkel, Präsident Obama: EU und USA stimmen sich bei den Sanktionen gegen Russland ab
Bei der jüngsten Verschärfung der Sanktionen gegen Russland dauerte es vom Ent- bis zum Beschluss zehn Tage - ein Blick hinter die Kulissen erklärt, wieso.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Es gibt Gründe, warum so ein Beschluss zehn Tage Vorlaufzeit hat

von Philipp Hacker-Walton

über die Sanktionen gegen Russland

Die Sanktionen gegen Russland waren auf europäischer Ebene das bestimmende Thema der vergangenen Tage. Am Dienstag vor einer Woche (22. Juli) einigten sich die EU-Außenminister grundsätzlich darauf, dass die Sanktionen ausgeweitet werden sollen - am Donnerstag dieser Woche (31. Juli) wurden die neuen Maßnahmen im Amtsblatt der Union veröffentlicht.

Ein Blick hinter die Kulissen der Sanktionsverhandlungen: Wer redet in so einem Fall mit, wer redet mit wem? Und warum scheint es von außen, als würde so ein Beschluss eine Ewigkeit brauchen?

1. Die verschiedenen Ebenen & Institutionen in Brüssel

Vor Monaten haben sich die EU-Staaten auf ein mehrstufiges Sanktionssystem geeinigt - die schärfsten Maßnahmen, Wirtschaftssanktionen, sind die viel zitierte "Stufe 3". Diese zu verhängen, haben sich dich Staats- und Regierungschefs vorbehalten - dazu gibt es einen eigenen Beschluss.

Die Außenminister befassen sich seit Monaten zwar auch bei jedem Treffen mit der Lage in der Ukraine, sie diskutieren über eine Verschärfung der Sanktionen - beschließen können sie aber nur eine Erweiterung der Sanktionen in den Stufen 1 oder 2. In der Praxis heißt das: Die Außenminister bereden, ob weitere Personen oder Firmen mit Einreise- bzw. Kontosperren belegt werden sollen.

Neben den zwei Ebenen im Rat - Außenminister und Regierungschefs - ist auch die Kommission beteiligt: Die Rechtsexperten der Brüsseler Behörde erstellen die Sanktionstexte.

2. Die "indirekten" Verhandlungen im Coreper

Ein Großteil der Gespräche lief zuletzt im sogenannten Coreper, dem "Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten" (Französisch: Comité des représentants permanents), auf deutsch: In der Runde der EU-Botschafter. Sie bereiten Gipfel- und Ministerratstreffen vor, besprechen Themen zuerst auf Diplomaten-Ebene, bevor sich die Minister und Regierungschefs damit befassen. Praktisch, weil die Botschafter ständig in Brüssel sind. Etwas komplizierter als ein Gipfeltreffen, weil ständig Rücksprache mit den Hauptstädten gehalten werden muss.

3. Die nationalen Beratungen

Parallel zu den Treffen der Botschafter in Brüssel laufen in den Hauptstädten Gespräche: Die betroffenen Ministerien stimmen sich ab, im Fall der Russland-Sanktionen kommen dann zb Vertreter von Außenministerium, Finanzministerium, Wirtschaftsministerium und Kanzleramt zusammen, um die möglichen Folgen für das eigene Land zu antizipieren: Welche Banken könnten von Sanktionen bzw. möglichen Gegenschlägen Russlands betroffen sein? Welche Investitionen und Projekte welcher Firmen?

4. Die europäischen Richtungsweiser

EU-Sanktionen können nur einstimmig beschlossen werden, wie immer gibt es aber einige Länder, die die Richtung vorgeben. In diesem Fall: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, der britische Premier David Cameron, Frankreichs Präsident Francois Hollande und der italienische Regierungschef Matteo Renzi - sie koordinierten die Positionen der "Großen Fünf" in Europa und ...

5. Die transatlantische Koordinierung

... hielten auch Kontakt zu US-Präsident Barack Obama. Als dieser am Dienstag vor laufender Kamera die Verschärfung der amerikanischen Sanktionen gegenüber Russland verkündete, betonte er, dass sich EU und USA eng abgestimmt hätten und gemeinsam vorgehen würden. Explizit erwähnte Obama die Telefonate vom Vortag mit Merkel, Cameron, Hollande, Renzi - und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte.

Tatsächlich waren die Schritte von EU und USA in den vergangenen Monaten stets aufeinander abgestimmt, es hat sich ein transatlantischer Sanktionsrhythmus herausgebildet: Die EU kündigen eine Verschärfung an, während in Brüssel die entscheidenden Sitzungen stattfinden, verkünden die USA ihrerseits eine Verschärfung, die EU zieht mit etwas Verspätung (und meist etwas abgeschwächt) nach.

6. Der Beschluss

Genau eine Woche nach dem eingangs erwähnten Treffen der Außenminister war es dann diesen Dienstag so weit: Die Botschafter aller 28 EU-Staaten konnten die Zustimmung ihrer Regierungen zu den verschärften Sanktionen zusichern. Damit war die Verschärfung politisch durch, formal noch nicht: Die Kommission arbeitete die letzten Details in den Rechtstexten aus, am Donnerstag kam dann schriftlich die Zustimmung der einzelnen Staats- und Regierungschefs - ein Sondergipfel zu den Sanktionen war damit nicht nötig. Offiziell wurde die Verschärfung mit der Veröffentlichung im Amtsblatt, seit heute, Freitag, ist sie in Kraft.

An dieser Stelle gibt es (nach einer Sommerpause ab September wieder) jeden Freitag "Brüssel von Innen" - mit aktuellen europapolitischen Themen und Blicken hinter die Kulissen in Brüssel (und Straßburg und Luxemburg). Ihr Feedback ist ausdrücklich erwünscht - als Kommentar unter den Artikeln, per Email oder auf Twitter (@phackerwalton). Die gesammelten Blogeinträge können Sie hier nachlesen.

Kommentare