Steueroase Luxemburg: Wieso Juncker nicht zurücktreten sollte

Kommissionschef Jean-Claude Juncker prägte 25 Jahre lang die Steuerpolitik Luxemburgs
Jean-Claude Juncker war daran beteiligt, Luxemburg als Steueroase zu etablieren. Aber kann man ihm das jetzt als Kommissionschef vorwerfen?
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Jeder wusste, wen man mit seiner Wahl bekommen würde

von Philipp Hacker-Walton

über Rücktrittsforderungen an Juncker

Von 100 Tagen Schonfrist keine Spur: Schon in seiner ersten Woche als Kommissionspräsident hat Jean-Claude Juncker richtig Ärger bekommen. Unter der Koordination des International Consortium of Investigative Journalists haben u.a. die Süddeutsche Zeitung, The Guardian und Le Monde enthüllt, wie zahlreiche Großkonzerne über verwinkelte Modelle in Luxemburg im großen Stil Steuern gespart haben - offenbar mit Hilfe der dortigen Behörden.

Angesichts der Enthüllungen steht Juncker unter Druck: Die Grünen im EU-Parlament fordern seinen Rücktritt, die Sozialdemokraten wollen ihn zumindest dazu befragen.

Es steht außer Zweifel, dass Juncker über ein Vierteljahrhundert hinweg die Steuerpolitik Luxemburgs als Finanz- und/oder Premierminister (einige Jahre war er beides) geprägt hat. Mutmaßlich hat er zumindest in den Grundzügen gewusst, wie die Steuerspar-Modelle der Großkonzerne von den Behörden behandelt und dass sie offenbar mitunter vorab abgesegnet wurden.

Rücktrittsreif ist er deswegen nicht.

Erstens fehlt der Überraschungseffekt: Luxemburgs Steuerpolitik ist bekannt, ebenso Junckers Anteil daran. Wer ihm jetzt vorwirft, dass er mitgeholfen hat, die Steuerschuld großer Konzerne in anderen Ländern zu senken, der könnte ihm genauso gut vorwerfen, dass er ein nicht allzu großer grauhaariger Mann Ende Fünfzig mit Brille ist. Will sagen: Jeder im EU-Parlament oder in nationalen Regierungen muss gewusst haben, wer da neuer Kommissionschef wird. (Die Rücktrittsforderung der Grünen ist trotzdem glaubwürdig, sie haben Juncker ja mehrheitlich nicht gewählt.)

Zweitens fehlt der Skandalfaktor, was Juncker betrifft: So weit es bekannt ist, sind die Luxemburger Steuerspar-Modelle völlig legal. Das freilich ist - bei näherer Betrachtung dieser Modelle - der eigentliche Skandal. Nur sollte man das weniger Juncker vorwerfen, der als nationaler Regierungschef das versucht hat, was nationale Regierungschefs nun einmal versuchen: Firmen und Geld ins Land holen.

Vielmehr kann man sich darüber empören, dass im Kreis der 28 Regierungschefs bzw. 28 Finanzminister noch nicht genug Druck aufgebaut wurde, damit Steueroasen wie Luxemburg ihre Geschäftsmodelle ändern. Man weiß, dass es oft nur so geht - oder glaubt jemand, dass Österreich sich vom Bankgeheimnis für Ausländer aus einer plötzlichen Eingebung heraus verabschiedet?

Wenn man so will, hat Juncker in der Vergangenheit nur das gemacht, wofür er gewählt worden war. Daran sollte man ihn auch in seinem neuen Job messen: Als Kommissionschef kann er (in einem gewissen Rahmen) mithelfen, Druck auf Luxemburg aufzubauen, sich vom Steueroasen-Geschäftsmodell zu verabschieden.

Tut er das nicht, dann - aber erst dann - ist er rücktrittsreif.

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