Pkw-Maut: Brüssel hilft Berlin aus der Sackgasse

Die Maut-Ankündigung war der Schlager der CSU im Bundestagswahlkampf 2013.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Alleine wären sie da nicht mehr rausgekommen

von Philipp Hacker-Walton

über die deutsche Maut

Die deutsche Bundesregierung beschließt, eine Maut einführen zu wollen; weil sie de facto nur von Ausländern zu zahlen sein soll, leitet die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein; der deutsche Verkehrsminister verschiebt daraufhin die Einführung der Maut.

Klare Sache: Brüssel legt sich mit Berlin an. Oder?

Das kann man so sehen - oder zu dem gegenteiligen Schluss kommen, dass Brüssel Berlin hier sogar einen Gefallen erweist. Und dass das möglicherweise einer der Hauptgründe ist, wieso die Kommission so rasch reagiert hat.

Die Vorgeschichte: Im deutschen Bundestagswahlkampf verspricht die CSU, in der nächsten Legislaturperiode eine "Ausländermaut" einzuführen. Kanzlerin Angela Merkel sträubt sich zunächst dagegen, gibt dem Projekt dann aber ihren Segen - unter der klaren Bedingung, dass die Maut europäischem Recht entsprechen müsse.

Monatelang bastelt CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt an der Maut, es scheint kaum möglich, ein Modell zu finden, bei dem nur ausländische Autofahrer zahlen, das aber nicht gegen EU-Recht verstößt. Mittlerweile kann Dobrindt bzw. die CSU aber nicht mehr zurückziehen, die Blamage wäre zu groß.

Also macht Dobrindt weiter. Und kommt zu einem Modell, das Gesetz wird: Alle Autofahrer zahlen die Maut - aber die deutschen sollen den Betrag über eine Senkung der Kfz-Steuer wieder zurückbekommen. Eine wackelige Konstruktion, bei der ungewiss ist, ob sie einer Klage wegen Diskriminierung von EU-Bürgern standhalten wird.

Da kommt jetzt die Kommission ins Spiel: Sie hat diese Woche ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt. Dobrindt kündigte daraufhin umgehend an, mit der Einführung der Maut zu warten - das geplante Startdatum 2016 geht sich damit nicht mehr aus.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, könnte die Kommission Kanzlerin Merkel - und sogar Dobrindt - damit einen guten Dienst erwiesen haben: Der Verkehrsminister hätte aus seinem Schlamassel alleine nicht mehr rausgefunden - jetzt kann er, selbst wenn die "Ausländermaut" nie kommt, zumindest erhobenen Hauptes nach Bayern fahren und der EU die Schuld geben. Merkel ist damit das ungeliebte Mautprojekt vorerst los - ohne, dass sie zwangsläufig ihren Verkehrsminister opfern und damit die CSU gegen sich aufbringen musste. Als Nebeneffekt kann die Kommission künftig immer auf die Maut-Klage verweisen, wenn es heißt, große Länder wie Deutschland könnten es sich in der Union stets richten, wie sie wollen.

Brüssel legt sich mit Berlin an? Eher ein Scheingefecht - mit mehreren Gewinnern.

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