Notizen vom Gipfel: Tusks Lampenfieber, Mitterlehners Premiere und Ruttes Vertretung

Ein neuer Ratspräsident, ein kürzerer Gipfel - und ein fehlender Regierungschef.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Bemerkenswert waren diesmal die Nebenerscheinungen

von Philipp Hacker-Walton

über den Dezember-Gipfel

Der letzte Gipfel der Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr war bemerkenswert - und zwar nicht der Inhalte (mager) oder Ergebnisse (erwartbar) wegen, sondern aufgrund einiger Nebenerscheinungen.

So war es der erste Gipfel unter dem neuen Führungsduo: Donald Tusk gab zum ersten Mal als Ratspräsident den Gastgeber, Gipfelveteran Jean-Claude Juncker nahm zum ersten Mal als gewählter Kommissionschef teil.

Tusk meinte bei seiner Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude, er hätte trotz seiner jahrelangen Gipfelerfahrung als polnischer Regierungschef "etwas Lampenfieber, wie ein Debütant":

Auf etwas kleinerer Bühne feierte einige Stunden davor Reinhold Mitterlehner seine Brüsseler Premiere: Erstmals nahm der Vizekanzler teil am Gipfel der Europäischen Volkspartei, der vor jedem EU-Gipfel stattfindet. Dabei sind nicht nur die Regierungschefs (und Kommissionschef Juncker sowie Ratspräsident Tusk, beide EVP-Mitglieder), die später zum "echten" Gipfel fahren, sondern auch Parteichefs, die "nur" mitregieren bzw. in Opposition sind, sowie Kommissare und EU-Parlamentarier.

Dass ein Regierungschef nicht zu einem Gipfel anreist, kommt nur äußerst selten vor - und nur, wenn es einen gewichtigen Grund dafür gibt. In den Niederlanden war das am Donnerstag der Fall: Regierungschef Mark Rutte ließ den Gipfel aus, blieb zu Hause, nachdem ein akuter Koalitionskrach seine ganze Aufmerksamkeit verlangte.

Die Niederlande fehlten also am Tisch - Ruttes Platz blieb leer, für die Ländervertreter waren diesmal nur 27 Plätze rund um den Tisch reserviert:

Rutte schickte keinen Ersatz, auch der niederländische EU-Botschafter durfte nicht an seiner Statt sprechen. Vertreten wurde Rutte stattdessen vom luxemburgischen Premier Xavier Bettel.

Wer würde Kanzler Werner Faymann im Fall des Falles vertreten? Wenn möglich der Vizekanzler, heißt es auf KURIER-Anfrage im Kanzleramt - oder man würde es wie Rutte machen und ein anderes Land mit der Vertretung Österreichs beauftragen.

Versäumt hat Rutte nicht viel - dieser Dezember-Gipfel war einer der kürzesten überhaupt. Die Donnerstag-Session verlief ungewohnt pünktlich - und die Freitagssitzung wurde überhaupt gleich gestrichen. Neo-Ratspräsident Tusk hatte schon im Vorfeld angekündigt, er wolle seinen ersten Gipfel schnell und effizient durchziehen.

Das höhere Tempo war aber nicht nur dem neuen Ratspräsidenten geschuldet - und nicht gänzlich freiwillig: Für Freitag, den planmäßig zweiten Gipfeltag, war im Brüsseler EU-Viertel eine Demonstration geplant, im unmittelbaren Umfeld des Ratsgebäudes. Hätte der Gipfel wie üblich bis Freitagnachmittag gedauert, hätte sich die Abreise der Staats- und Regierungschefs wegen der Demo erheblich verzögern können.

An dieser Stelle gibt es (nach einer Weihnachtspause ab 9. Jänner wieder) jeden Freitag " Brüssel von Innen" - mit aktuellen europapolitischen Themen und Blicken hinter die Kulissen in Brüssel (und Straßburg und Luxemburg). Ihr Feedback ist ausdrücklich erwünscht - als Kommentar unter den Artikeln, per Email oder auf Twitter (@phackerwalton). Die gesammelten Blogeinträge können Sie hier nachlesen.

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