Junckers erstes Arbeitsprogramm wird ein Streichkonzert

Die Kommission soll sich bei neuen Gesetzen zurückhalten - und die Liste der "wartenden" Vorschläge gründlich ausmisten.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Es ist auch ein klarer Schnitt zur Zeit seines Vorgängers Barroso

von Philipp Hacker-Walton

über Junckers Arbeitsweise

Jean-Claude Juncker hat für die Arbeit der EU-Kommission unter seiner Leitung ein Grundprinzip ausgelobt: "Wir werden groß sein bei den großen Fragen und klein bei den kleinen." Soll heißen: Die Kommission soll nicht mehr alles, das sich regulieren lässt, auch von Brüssel aus regulieren - wenn möglich, soll das den Mitgliedsstaaten überlassen werden. Auf der anderen Seite will Juncker die "großen" Fragen angehen - beispielsweise in der Wirtschafts-, Steuer-, Energie- und Außenpolitik.

Dieser Ansatz soll sich auch im ersten Arbeitsprogramm der Juncker-Kommission widerspiegeln, das kommende Woche präsentiert wird.

Schon dessen Zustandekommen soll sich, wie es in gut informierten Kommissionskreisen heißt, diametral von der Vorgehensweise von Junckers Vorgänger, Jose Manuel Barroso, unterscheiden.

Ein hochrangiger Kommissionsbeamter skizziert es so: Bislang hätten die einzelnen Generaldirektionen der Kommission ihre Arbeitsvorhaben für das kommende Jahr vor; die Kommissare hätten dies dann mehr oder weniger im Kollegium abgenickt. Ein "bottom up" Ansatz also, der einen gravierenden Haken hatte: An das Arbeitsprogramm waren die Verteilung von Mitteln und Mitarbeitern geknüpft; die Generaldirektionen hatten also Interesse daran, möglichst viele Vorhaben einzumelden - unabhängig davon, ob sie auch sinnvoll bzw. notwendig waren oder nicht.

Jetzt geht man den umgekehrten Weg, "top down": Juncker wollte von seinen Kommissaren eine Liste mit Projekten, die mit den von ihm vorgegebenen 10 politischen Prioritäten zusammenhängen. Junckers rechte Hand, Vizepräsident Frans Timmermans, ging diese Listen dann einzeln mit den Kommissaren durch - ohne die GDs - und überprüfte, wie wichtig jedes Projekt für die Erreichung von Junckers 10 Prioritäten ist.

Junckers Vorgabe: Es soll eine überschaubare Anzahl an neuen Gesetzesvorschlägen geben - "weniger als 25", heißt es in der Kommission.

Zusätzlich durchforstet man in der Kommission gerade die Liste jener Projekte, die irgendwo zwischen Rat und Parlament hängen geblieben sind und auf eine Entscheidung "warten": Gut 400 sollen das sein - und eine zweistellige Zahl davon soll gestrichen werden, weil nicht davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit ein Ergebnis zustande kommen kann. Das betrifft zB auch Projekte, die im Rat oder Parlament schon abgelehnt wurde, wie etwa ACTA.

Bei denen, die übrig bleiben, wird sich die Kommission manche zur neuerlichen Überprüfung schnappen - und bei anderen Rat und Parlament auffordern, Tempo Richtung einer Entscheidung zu machen.

In der Kommission geht man davon aus, dass dieser Masterplan - viele alte Projekte streichen, nur wenige neue entwickeln - auf unterschiedliche Reaktionen stoßen wird: "Die Mitgliedsstaaten werden das unterstützen, weil sie ohnehin nicht so viele Vorgaben aus Brüssel haben wollen", sagt ein EU-Beamter. "Aber das Parlament wird sich dagegen sträuben - es lebt schließlich davon, dass es viele Projekte gibt, damit die Abgeordneten in vielen Ausschüssen sitzen und viele Berichte verfassen können."

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