Doppelrolle: Kandidaten mit unparteiischem Amt - geht das?

Martin Schulz: EU-Parlamentspräsident und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten
Schulz will während des Wahlkampfs Parlamentspräsident bleiben. Kommissare, die kandidieren, legen ihr Amt zurück - mit einer kuriosen Ausnahme.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Schwer zu sagen, in welcher Rolle sie gerade auftreten

von Philipp Hacker-Walton

Kommissare und Präsidenten im EU-Wahlkampf

Martin Schulz muss sich dieser Tage von seinen politischen Mitbewerbern, es ist schließlich Wahlkampf, die unterschiedlichste Kritik gefallen lassen. In einem Punkt scheinen sich aber alle einig zu sein: Schulz sollte für die Dauer des Wahlkampfs sein Amt als Präsident des EU-Parlaments zurücklegen. Denn, so der Vorwurf, es sei nicht möglich, gleichzeitig Spitzenkandidat einer Partei und offiziell unparteiischer Vertreter einer EU-Institution zu sein.

Schulz lehnt einen Rücktritt ab - er will bis zum letzten Tag der Periode, für die er gewählt ist, als Parlamentspräsident arbeiten. Doch tatsächlich ist es mitunter schwierig zu wissen, wer hier jetzt gerade auftritt: Schulz, der Spitzenkandidat - oder Schulz, der Parlamentspräsident?

In welcher Rolle tritt Schulz gerade auf?

Manchmal gibt es auch eine natürliche Vermischung: Wenn Schulz etwa als Parlamentspräsident beim EU-Gipfel redet und sich für mehr Wachstumsförderung, mehr Mittel gegen die Jugendarbeitslosigkeit ausspricht. Dann könnte man ihm vorwerfen, dass das aus dem sozialdemokratischen Wahlprogramm stammt. Genauso gut könnte man ihm zugute halten, dass er sich schon seit Jahren dafür im Namen des Parlaments einsetzt.

Mit einer Aktion auf Twitter hat Schulz seinen Kritikern unlängst neuen Stoff gegeben: Sein Twitter-Account, der ihn bis vor kurzem als Parlamentspräsident auswies, ist nun sein Account als Kandidat. Eine saubere Trennung, könnte man meinen; jetzt, wo Wahlkampf ist. Doch ging es Schulz und seinem Team wohl eher darum, die zigtausenden Follower, die er als Präsident gesammelt hatte, in seinen Wahlkampf mitzunehmen.

Kommissare lassen sich freistellen

In der Kommission gibt es für solche Fälle eine klare Regel: Kommissare, die wahlkämpfen, müssen ihr Amt ruhend stellen - ihre Agenden werden in dieser Zeit einem anderen Kommissar übertragen. Bei dieser EU-Wahl werden sich sechs Kommissare freistellen lassen, gab das Büro von Kommissionschef Barroso diese Woche bekannt: Unter ihnen sind Justizkommissarin Viviane Reding, die von Johannes Hahn vertreten wird, und Währungskommissar Olli Rehn. Am Tag nach der EU-Wahl nehmen sie ihre Kommissarsarbeit wieder auf - falls sie ins Parlament gewählt werden und das Mandat annehmen, müssen sie den Job in der Kommission spätestens Ende Juni zurücklegen.

Ein Kandidat, der nicht wahlkämpft

Eine kuriose Ausnahme gibt es für Handelskommissar Karel de Gucht: Er kandidiert zwar bei der EU-Wahl, lässt sich aber nicht freistellen. Denn, so die offizielle Begründung aus der Kommission: De Gucht werde nicht aktiv wahlkämpfen, sondern nur auf der Liste stehen. Außerdem habe er schon angekündigt, ein Mandat im EU-Parlament gar nicht annehmen zu wollen - also könne er ohne Probleme auch im Wahlkampf Kommissar bleiben.

Wieso De Gucht dann überhaupt bei der EU-Wahl kandidiert, das konnte man in der Kommission auch nicht beantworten.

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