Die Debatte um die Flüchtlingsquote ist ein Armutszeugnis

Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Renzi hat Recht: Entweder ernsthaft - oder gar nicht

von Philipp Hacker-Walton

über die EU-Migrationspolitik

Ob sich David Cameron bei diesem EU-Gipfel wie im falschen Film gefühlt hat? Der britische Premier trug beim Abendessen der Staats- und Regierungschefs seine Pläne für einen "besseren Deal" für die Briten vor; er legte dar, was er zu verhandeln gedenkt, bevor er im Vorfeld des britischen EU-Referendums für ein "Ja" werben will.

Camerons zentrales Ziel: Die EU soll weg vom Grundsatz, dass es eine "immer enger zusammenarbeitende Union" geben soll. Man soll, so sieht das Cameron, weg vom Prinzip, immer mehr und möglichst viel gemeinsam in Brüssel zu regeln.

Angesichts der aktuellen Gipfel-Debatten könnte aber selbst Cameron die Angst vor einer "ever closer union" übertrieben bis lächerlich vorgekommen sein. Das eine große Gipfel-Thema: Griechenland, wo seit Monaten nichts weiter geht. Das andere Große Gipfel-Thema: Die Debatte über eine Flüchtlingsquote.

Die Quoten-Diskussion der vergangenen Wochen und auch jene am Gipfel war ein Offenbarungseid für die EU-Spitzen: Das Projekt, eine generelle Flüchtlingsquote, einen fixen Verteilungsschlüssel für alle Asylwerber in den EU-28 zu finden, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben - es scheint unwahrscheinlich, dass es überhaupt je umgesetzt wird.

Das mag noch verständlich sein - auch wenn es einer echten gemeinsamen Flüchtlingspolitik am nächsten kommen würde, wäre der Sprung vom jetzigen System, wonach immer das zuerst betretene EU-Land für ein Asylverfahren zuständig ist, wohl einfach zu groß.

Dass man sich aber nach wochenlanger Diskussion nicht einmal darauf verständigen kann, wie 40.000 Flüchtlinge, die bereits in Italien und Griechenland sind, und 20.000 weitere aus Kriegs- und Krisengebieten auf die EU-Staaten verteilt werden können, ist ein Armutszeugnis. Nach Griechenland werden Flüchtlinge wegen der miesen Bedingungen schon gar nicht mehr aus anderen EU-Staaten zurückgeschickt; in Italien rechnet man damit, dass im heurigen Jahr 200.000 (!) Migranten ankommen.

Und dann muss man lange darüber diskutieren, wer genau wie viele von 40.000 aufnimmt? Staaten wie Estland, das im Jahr 2014 laut Eurostat-Statistik ganze 155 (!) Asylanträge zu bearbeiten hatte, sträuben sich ernsthaft gegen einen Verteilungsschlüssel für einen Bruchteil dessen, was Italien bewältigen muss?

Der kolportierte Wut-Ausbruch von Italiens Premier Matteo Renzi ist nur allzu gut nachvollziehbar: "Wisst ihr was", soll Renzi bei der Debatte an die Adresse der blockierenden Staaten geschnaubt haben, "wenn ihr keine verpflichtenden Quoten haben wollt, dann vergesst das Ganze. Dann machen wir es lieber alleine". Und weiter: "Wenn das eure Idee von Europa ist, dann könnt ihr es behalten, damit verschwendet ihr nur unsere Zeit."

David Cameron konnte die Flüchtlingsdebatte übrigens relativ entspannt verfolgen: Die Briten haben schon jetzt eine Ausnahmeregelung in den EU-Verträgen - und müssen sich an der gemeinsamen Migrationspolitik gar nicht beteiligen.

An dieser Stelle gibt es jeden Freitag " Brüssel von Innen" - mit aktuellen europapolitischen Themen und Blicken hinter die Kulissen in Brüssel (und Straßburg und Luxemburg). Ihr Feedback ist ausdrücklich erwünscht - als Kommentar unter den Artikeln, per Email oder auf Twitter (@phackerwalton). Die gesammelten Blogeinträge können Sie hier nachlesen.

Kommentare