Bayerns Bierkrüge - eine halbgare Heldengeschichte

Der angebliche Bedrohung des "Keferloher" durch eine EU-Richtlinie ist ein Musterbeispiel für inszenierte Abwehrkämpfe gegen die Brüsseler Bürokratie.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Gegen Brüssel lässt sich billig punkten.

von Philipp Hacker-Walton

über EU-Halbwahrheiten

Die Aufregung war groß in dieser Woche, nicht nur in Bayern: Der traditionelle Bierkrug aus Steingut, der „Keferloher“, sollte doch glatt durch eine EU-Richtlinie verboten werden, berichtete das Nachrichtenmagazin Focus. Und lieferte zur Entrüstung auch die Entwarnung gleich mit: Dank einer Ausnahmeregelung des deutschen Wirtschaftsministeriums kann der Keferloher bleiben.

Die Moral der Geschichte: Dank des heldenhaften Einsatzes deutscher Politiker konnten die Eurokraten gerade noch gestoppt werden. Als Heldin durfte sich die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner feiern lassen, die in der „Posse“ einen weiteren Beweis für die „grenzenlose Regulierungswut“ der Brüsseler Bürokraten sieht.

Eine Heldengeschichte also – oder doch nur ein Sturm im Bierglas?

"Rein nationale Entscheidung"

Liest man die Stellungnahme der EU-Kommission, dann wirkt die Geschichte nämlich nicht einmal mehr halb so schlimm: „Die Europäische Kommission hatte nie das Ziel, Bierkrüge aus Steingut zu verbieten“, heißt es da. Und, der zentrale Satz: „Ein eventuelles Verbot solcher Steinkrüge wäre eine rein nationale Entscheidung. Die EU-Kommission war über mögliche Pläne der deutschen Behörden, diese Steinkrüge zu verbieten, nicht informiert.“

Nochmal langsam zum Mitschreiben:

1. "Die EU" hatte nie vor, den Keferloher zu verbieten.

2. Ein Verbot des Keferlohers wäre nicht automatisch durch die EU-Richtlinie vorgeschrieben gewesen, sondern Sache der deutschen Gesetzgebung.

"Nicht explizit verboten"

Dazu passt, was Lothar Ebbertz, Geschäftsführer des deutschen Brauerbundes, der Süddeutschen sagte: Er wolle Brüssel keinen Vorwurf machen, der Entwurf sei „schon gut gemeint“. Auch sei der Steinkrug "nicht explizit verboten" worden, sondern eher "zufällig der neuen Richtlinie zum Opfer gefallen".

Und selbst wenn die Richtlinie den Keferloher ganz absichtlich hätte verbieten wollen: Dann hätte man noch immer die zuständigen Fachminister der einzelnen Länder fragen müssen, was ihnen da eingefallen ist, so einer Richtlinie überhaupt zuzustimmen – anstatt die „Posse“, wie Ministerin Aigner sagt, allein auf die Eurokraten in der Kommission zu schieben, die so etwas gar nicht alleine durchsetzen können.

Nationalisierung der Erfolge

Nur, dass das eben keine gute Heldengeschichte hergibt. Und nicht in das Muster passt, das von vielen nationalen Politikern praktiziert und von EU-Politiker kritisiert wird: Die „Nationalisierung“ der Erfolge – und die „Europäisierung“ der Probleme. Im Klartext: Wenn etwas schiefgeht, waren es die in Brüssel. Wenn etwas gut geht, haben es die jeweils heimischen Politiker in Brüssel hart erkämpft. Dass das nicht damit zusammenpasst, dass es in der EU keine Entscheidung ohne die Zustimmung der Mitgliedsstaaten gibt – geschenkt.

Der Hintergrund der ganzen Geschichte ist übrigens gar nicht so absurd, wie die „EU verbietet Bierkrug“-Schlagzeilen es vermuten lassen würden: Um sicherzugehen, dass Konsumenten das bekommen, wofür sie bezahlen, sollen an den „Messgeräten“ in Gaststätten die Messstriche außen gut sichtbar sein, sprich: Man soll an seinem Bierglas sehen können, ob ordentlich und genug eingeschenkt wurde.

Mit dem undurchsichtigen Keferloher geht das natürlich nicht – doch auch das lässt sich einfach lösen: Dort, wo im Steinkrug ausgeschenkt wird, sollen die Gäste einfach darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie ihr Bier zur Kontrolle auch in einem Glas mit Messstrich haben können.

Zugegeben, man kann das für eine unnötige Regulierung halten. Aber dann wäre es Sache der EU-Staaten gewesen, diese einfach rechtzeitig abzudrehen - anstatt die Richtlinie zu beschließen und sich dann über die Regulierungswut der Eurokraten zu beschweren.

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