Unfassbar emotional

Sonja Zietlow präsentierte "Die 25 emotionalsten TV-Momente des Jahres"
Unsere tägliche Begleiterscheinung zum Fernsehabend des Vortages. Diesmal: "Die 25 emotionalsten TV-Momente" auf RTL
Peter Temel

Peter Temel

Man möchte ja sogar kurz daran glauben, dass eine Rankingshow sinnstiftend sein kann.

von Peter Temel

über "Die 25 emotionalsten TV-Momente" auf RTL

Hätten Sie’s gewusst? - Was isst man traditionell zur Weihnachtszeit? A) Plätzchen & Stollen; B) Currywurst & Pommes.

Auf deutschen Privatsendern werden in den Werbepausen gerne solche kniffligen Gewinnfragen gestellt. Dazwischen zeigt man dann z.B. Rankingshows, in denen halb- bis viertelprominente Personen sehr wichtige bis unwichtige Dinge kommentieren. Zur Vereinfachung des Ganzen sind das üblicherweise TV-Momente, weil die sich halt leichter kommentieren lassen.

Am Mittwoch war es auf RTL wieder einmal soweit: "Die 25 emotionalsten TV-Momente des Jahres" standen zur Besprechung an – traditionellerweise zu dieser Jahreszeit, wie Moderatorin Sonja Zietlow betonte. Und schon befand man sich mitten im ersten emotionalen Moment (Zitat: "Das ist so emotional – unfassbar!") - und fragte sich: Wer sind bitte Jörn Schlönvoigt, Jo Weil, Angela Finger-Erben, Joachim Llambi, Jennifer Knäble oder Sarah Lombardi?! Vielleicht hätte man das die Zuschauer in den Werbepausen fragen sollen.

Jedenfalls besprachen diese gemeinsam mit anderem ehemaligen Dschungelcamp- und Castingshow-Personal, sowie diversen RTL-Moderatoren zwei Stunden lang emotionale Momente. Das Siegestänzchen Angela Merkels mit den CDU/CSU-Politikern nach der deutschen Bundestagswahl etwa, oder Sabine Lisickis Tränen nach ihrem Finaleinzug in Wimbledon.

Bohlens Tränen

Natürlich waren auch einige RTL-Momente dabei. Schließlich ließ man auf RTL heuer Oliver Pocher und Boris Becker ihre Twitter-Schlammschlacht in einem quotenträchtigen TV-Duell austragen. In einer Promi-Ausgabe von „Wer wird Millionär?“ scheiterte Fußball-Auskenner Waldemar „Waldi“ Hartmann ausgerechnet an der Frage, ob Deutschland schon einmal im eigenen Land Weltmeister wurde. Und Dieter Bohlen wurde im September in „Das Supertalent“ - angeblich überraschend – mit jenem Mann konfrontiert, der ihn vor 35 Jahren entdeckt und gefördert hatte. Als Rainer Felsen zum Klarinette-Spielen auf die Showbühne kam, drückte es dem sonst so harten „Diedeee“ Tränen in die Augen. „Wenn der Typ nicht gewesen wäre, dann würde es auch keinen Dieter Bohlen geben, und dann würde es auch kein ‚Cheri, Cheri, Lady‘ geben,“ kommentierte „Dschungelkönig“ Joey Heindle. Da wurde „Bachelor“ Jan Kralitschka einmal so richtig emotional: „Oh Gott, dem Typen haben wir das alles zu verdanken?!“

Als mit der „Markus Lanz“-Show auch einmal ein Konkurrenzsender ins Bild kam, zeigten sich die Kommentatoren kritisch. Nastassja Kinski sei in der Talkshow über die Maßen mit Fragen über ihren Vater, Klaus Kinski, belastet worden. Auch die pakistanische Variante von „Der Preis ist heiß“, in welcher um ein Baby als Hauptgewinn gespielt wurde, geriet in den Fokus. Die Geschichte jenes Palastdieners, der im Juli die Geburtsanzeige von Prinz George vor dem Buckingham Palace präsentieren durfte, zählte ebenfalls zu den unschönen Momenten. Badar Azim wurde wenig später ausgewiesen. Das Visum des Inders war nicht verlängert worden, weshalb er in die Slums von Kalkutta zurückkehren musste.

Zum Glück gibt es da auch „die kleinen Zeichen, dass alles gut wird“. Der 96-jährige US-Amerikaner Fred Stobaugh komponierte kurz nach dem Tod seiner Ehefrau Lorraine „das schönste Liebeslied der Welt“. Der stotternde Schüler Musharaf wurde in Großbritannien mit der „The King's Speech“-Methode hollywoodreif ermutigt, erstmals fließend zu sprechen.

Botschaft

„Egal, wie hart das Schicksal zuschlägt, Man darf die Hoffnung nie aufgeben,“ lautet gegen Ende der Show die Botschaft. Schön, dass eine Rentnerin nach einem Tornado unter den Trümmern ihren Zwergschnauzer lebend wieder gefunden hat. Zum Glück live auf Sendung. Denn was wären die „emotionalsten TV-Momente“ ohne die entsprechenden Bilder?

Auf Platz eins landete eine Geschichte, die Sonja Zietlow nicht größer aufblasen wollte, als sie ohnehin ist. Talia Joy Castellano verlor nach ihrer Krebserkrankung nicht den Lebensmut und bewegte mit ihren Schmink-Tipps auf Youtube ein Millionenpublikum. Heuer verstarb das fröhliche Mädchen aus Florida mit 13 Jahren. Kurz vor Talias Tod wurde eine Liste mit Dingen veröffentlicht, die Talia noch gerne gemacht hätte. Neben "aus einer Kokosnuss trinken" fanden sich darauf auch Wünsche wie "ein Auto komplett mit Haftnotizen bedecken".

Fernsehrealität

„Mehr genießen, weniger hadern,“ sagte Zietlow schließlich. „Wenn wir alle ein bisschen mehr Talia Joy Castellano sind, dann kann das ein wunderbares 2014 werden.“ Angesichts dieser berührenden Geschichte möchte man Zietlow dann gerne beipflichten, ja, möchte sogar kurz daran glauben, dass eine Rankingshow sinnstiftend sein kann. Ja - wenn einen Zietlow nicht selbst postwendend in die Fernsehrealität zurückbefördert hätte: „Wir sehen uns im Januar wieder. Dann öffnen wir zum achten Mal unseren Egostreichelzoo im australischen Regenwald. Ich freu‘ mich auf Sie!“

Man brauchte aber auch nur umzuschalten, um festzustellen, wie Fernsehen seine emotionalen Momente täglich aufs Neue künstlich herstellt. Auf Sat.1 wurde gerade der Gewinner der neuen Koch-Castingshow „The Taste“ gekürt. Finalist Dennis erlebte „die schlimmsten Minuten in meinem Leben“, während die Profi-Juroren die letzten Speisen verkosteten („Also, das ist echt Finalniveau!“). Gewonnen hat schließlich Felicitas.

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