Oberstufe neu: „Reförmchen statt großer Wurf“

Oberstufe neu: „Reförmchen statt großer Wurf“
Ab 2017 gibt es für alle Schüler ab der 10. Schulstufe die „modulare Oberstufe“. Was sich ändert, was bleibt.
Oberstufe neu: „Reförmchen statt großer Wurf“

Wir hätten uns eine modulare Oberstufe gewünscht, die den Namen auch verdient“, sagt Jim Lefebre von der Schülerunion. „In der Praxis würde das nämlich heißen, dass wir einzelne Module (Fächer, Anm.) wählen dürfen – neben den klassischen Fächern wie Englisch oder Mathematik auch Soft Skills, zum Beispiel Rhetorik oder Verhandlungstechnik.“

Tatsächlich wird sich der Schulalltag in der „Oberstufe neu“ wenig ändern (siehe unten): Die Schüler bleiben in ihrem Klassenverband, ein Kurssystem,bei dem sich jeder Schüler seine Fächer zusammestellt, wird es nicht geben. Neu ist dagegen: Statt einem Schuljahr gibt es zwei Semester. Alle Module muss der Schüler bis zur Matura positiv abschließen. Hat er einen Fünfer im Semesterzeugnis, so macht er in dem Fach eine Nachprüfung, die er bis zu zwei Mal wiederholen kann. Dabei wird nur der Stoff geprüft, den der Schüler negativ absolvierte. Beispiel: Hat er die Schularbeit zum Thema Winkelberechnungen positiv abgeschlossen, aber die Aufgaben zum Thema Vektoren negativ, muss der Schüler nur zur Prüfung über das letzte Thema antreten. Was der Schüler genau zu lernen hat, muss der Lehrer definieren. Leichter wird die Oberstufe dadurch nicht. Im Gegenteil: Die Aufstiegsklausel, bei der ein Fünfer nicht augebügelt werden muss, ist mit der „Oberstufe neu“ nämlich Geschichte. Die Schüler müssen nun jedes Modul positiv abschließen.

Hilfestellung geben

Damit jeder Jugendliche das nicht bestandene Modul auch schafft, soll es individuelle Lernbegleitung für ihn geben. Wie diese aussieht, sollen die Schulen in der Praxis selbst entscheiden. Für besonders Begabte soll es ebenso Förderungen geben. Der Bundeselternverband begrüßt diese „erleichterte Förderung von leistungsschwachen und begabten Schülern. Wir sehen das als einen richtigen und längst fälligen Schritt in die richtige Richtung an“, meint Obmann Theodor Saverschel.

Der Elternvertreter bezweifelt allerdings, dass die Reform der Oberstufe nichts kostet: „Die Hoffnung ist ja, dass es weniger Sitzenbleiber gibt. Mit dem Ersparten will das Unterrichtsministerium die Förderungen finanzieren. Wir ordnen das unter Zweckoptimismus ein. Sollten die notwendigen Mittel aber zur Verfügung gestellt werden, sind wir zuversichtlich, dass diese Reform ein wichtiger Mosaikstein für die Anhebung der Qualität in der Schule sein wird.“

AHS-Lehrergewerkschafter Gerhard Riegler stößt in dasselbe Horn: „Erhalten wir nur ein Drittel des Betrags, der für die Neue Mittelschule ausgegeben wird, kann die Reform gelingen.“

Reformiert werden muss aber auch der Lehrplan. Weil jedes Semester extra benotet wird, muss der Stoff in kleinere Einheiten unterteilt werden. „Das sollte das Ministerium gleich zum Anlass nehmen, den Lehrplan an die neue Reifeprüfung anzupassen – vor allem in Mathematik. Zur Zeit werden die sechsten Klassen in einer Form unterrichtet, die absolut nichts mit der neuen Matura zu tun hat“, kritisiert Saverschel.

 

Vorschriften

Für Bildungswissenschaflter Stefan Hopmann ist die „Oberstufe neu“ ein „Reförmchen, aber kein großer Wurf. Das kann man machen oder auch nicht. Leider hatte das Ministerium nicht den Mut, den Schulen freie Hand zu lassen. Jahrelang hat man Schulversuche zur modularen Oberstufe gemacht. Und jetzt nimmt man ein Modell heraus und stülpt das über alle Schulen drüber. Diese werden jetzt mit vielen Vorschriften geknebelt.“

Viel besser wäre es, ortsspezifische Lösungen zuzulassen. „Wenn eine Schule nur eine bestimmte Anzahl von Mathelehrern hat, so soll der Direktor vor Ort entscheiden, wie er diese am effektivsten für den Lernerfolg aller Schüler einsetzt.“

INFO Bei Schulproblemen hilft der KURIER-Schüleranwalt. Anfragen per Mail an schueleranwalt@kurier.at, letzte Telefonsprechstunde in diesem Jahr: 20. Dezember 8 bis 10 Uhr, 0664/60 700 30 000

 

 

 

 

Oberstufe: Die Klassen bleiben erhalten

Zeitplan: Ab 2013/14 kann die „Oberstufe neu“ auf Antrag als Schulversuch laufen. 2017 werden alle 3- bis 5- jährigen mittleren und höheren Schulen das System übernehmen, und zwar ab der 10. Schulstufe. Das wird rund 185.000 Schüler betreffen. Statt Schuljahren gibt es Semester (=Kompetenzmodule). Nur wer alle positiv absolviert hat, darf zur Matura antreten.

Module: Besteht ein Schüler ein Fach in einem Semester nicht, muss er eine Semesterprüfung machen. Besteht er diese Prüfung nicht, kann er sie noch zwei Mal wiederholen. Aufsteigen kann der Schüler mit zwei „Nicht Genügend“, einmal während der Oberstufe auch mit drei Fünfern (dazu braucht es aber den Beschluss der Klassenkonferenz).

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