Alle sind in Bewegung

In Baden und Traiskirchen (NÖ) arbeiten Jugendliche aus mehreren Ländern an gemeinsamen Tanzperformances mit der BiondekBühne. KiKu-Reportage mit rund 150 Fotos.

Von Heinz Wagner

09.08.16, 00:44

Obwohl sie alle mehr oder minder „nur“ hölzerne Sessel tragen, schieben, sich auf sie stützen oder manchmal setzen, vermittelt die Szenerie schnell das Bild von Menschen, die mit wenig Hab und Gut schwere Last zu tragen haben, die auf der Flucht sind. Da ist Vasilia, die sehr überzeugend eine alte Oma spielt, deren Enkel Andrei ihr immer wieder den zu schleppenden Sessel abnimmt. David und Laura sind als Liebespaar unterwegs, Marion, Josifina und Stavrina "schleppen" ebenfalls an ihren Lasten. Nur Katrin schein unbeschwert diese Zwangsreise auch als Abenteuer zu verstehen und spielt mit der Sitzgelegenheit – sie spielt ein fünfjähriges Kind. Und Theater-Lehrerin Auli filmt die Szenen - für die spätere Nachbesprechung - mit ihrem SmartPhone.

Bilder von "Auf der Flucht"

Gefühle und Stimmungen in Bewegung

Jugendliche aus Österreich, Zypern und Estland sind in Traiskirchen zusammen gekommen, um bei einem der internationalen Projekte der BiondekBühne sich mit Flucht und Migration zu beschäftigen – zwar auch darüber reden, vor allem sich aber Szenen und Charaktere ausdenken und deren Gefühle und Stimmungen in (tänzerische) Bewegung „übersetzen“. Die BiondekBühne (BB) ist ein privater Verein, der vor mehr als zehn Jahren aus der Schultheatergruppe des Gymnasiums in der Badener Biondekgasse herausgewachsen ist. Neben den Theaterkursen und -Workshops in Baden (NÖ) organisiert die BB immer wieder auch internationale Projekte – und wird dabei teilweise von EU-Mitteln (vor allem Erasmus +) unterstützt. ACE (Austria – Cyprus – Estonia) heißt das eingnags beschriebene. Reale Begegnung mit Flüchtlingen gibt es auch im Projekt selbst – aus Österreich nehmen auch drei Mädchen teil, die selbst vor dem Krieg in Syrien flüchten mussten. Selena kam aus dem erst vor kurzem wieder nach einem mörderischen Attentat in die Schlagzeilen geratenen Qamischli (Kamishli) im Norden Syriens, jener von Kurd_innen befreiten Zone, die aber immer wieder vom IS angegriffen wird. Dort ist sie mit Arabisch und Syrisch aufgewachsen, ihr Traum war es da schon, Fußball zu spielen. Etwas, das sie nun in Pfaffstätten lebend, in Angriff nimmt. So nebenbei ist sie ein absolutes Sprachentalent – Neben ihren beiden Erstsprachen wechselt sie mir nichts dir nichts von Englisch – der gemeinsamen Sprache im Workshop – auf Deutsch „und nächstes Jahr lern ich dann in der Schule noch Spanisch“).

Fluchterfahrung hat auf Stavrini. Die musste als sehr kleines Kind mit ihren Eltern aus dem türkisch besetzten Teil Zyperns in den griechischen Teil. Und David „hab im Vorjahr mit meinen Eltern bei der Betreuung von Flüchtlingen am Hauptbahnhof geholfen“.

Béile blasta/ An guata/ jévma/ Jätkiu leiba/ Saha w hana/ saatbê

Eine zweite Workshop-Gruppe arbeitet mit ihren Bewegungsübungen „eher abstrakt am Thema, wir beschäftigen uns vor allem mit Bewegung als solcher“, schildert Éilas aus dem irischen Limerick, die nun mittlerweile fast am Ende ihres Europäischen Freiwilligenjahres bei der BiondekBühne steht. Und damit eine weitere Sprache beigesteuert hat, in der in der Küche allen Mahlzeit bzw. Guten Appetit gewünscht wird: béile blasta. Mit „an guata“ steht es auch auf gsi-bergerisch wie Vorarlbergisch oft auch wegen des Satzes I bir gsi (ich bin gewesen) genannt wird, hier. Selena und Haya fügen eben das Arabische Saha w hana hinzu, erstere auch noch saatbê (Kurmandschi, die größte der kurdischen Sprachen).Das gemeinsame Essen ist natürlich wichtiger Bestandteil des grenzüberschreitenden Jugend-Tanztheaterprojekts.

Alle können tanzen!

In Baden, dem Stammsitz des Vereins, steigt ein weiteres internationales und auf andere Weise mehrfach grenzüberschreitendes Projekt: Jugendliche aus Korsika und Österreich – mit und ohne Behinderungen – proben hier unter dem Motto: „Everybody can dance!“. Am ersten Tag stehen Auflockerungstänze, Gruppenspiele und „Team-Building“ auf dem Programm – bevor noch das Puzzlespiel, an dessen Ende eine Tramperin bzw. ein Tramper mit überdimensionalem Rucksack rauskommen wird, startet, beginnen Nicole, David, Birgit, Fifi, Antoine, Marie Do, Théo, Hayfa, Mimi und die anderen die Wartezeit mit Flaschen bzw. Becherdrehen und dem Cupsong zu überbrücken und so spontan ihre Art des Team-Buildings.