Kampf um digitale Freiheit auf der Straße

Kampf um digitale Freiheit auf der Straße
Am Samstag wurde gegen Beschränkungen des Internets demonstriert. Die Web-Community ist endgültig zum politischen Faktor geworden.

Es ist ein relativ versteckter Kampf, der sich hier im Internet abspielt. Online-Petitionen, wütende Blogeinträge und das Hacken von Regierungs-Homepages zählen zum Standardrepertoire der Auseinandersetzung. Der durchschnittliche User bekommt davon nicht viel mit, wenn sich nicht gerade Google oder Wikipedia dem Protest anschließen und – wie am 18. Jänner – einen Tag lang ihre Webseiten schwarz verhüllen. Dabei geht es um Bürgerrechte, um die Bürgerrechte der Internet-User.

Am Samstag wurde der Protest einmal sichtbar und ist vom digitalen Raum unserer Computer auf die Straße getreten. In fast 250 Städten weltweit gingen Menschen auf die Straße (allein in Wien waren es zwischen 3000 und 4500 Demonstranten), um gegen ein internationales Abkommen zu demonstrieren, das nach Meinung der Kritiker nicht weniger als das Ende des freien Internets bedeuten könnte: ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, also Handelsabkommen gegen Produktpiraterie) heißt das Ding, mit dem Produktfälschungen und Urheberrechtsverletzungen bekämpft werden sollen.

Demokratiegefährdend

Seit 2008 wurde es international verhandelt und ruft jetzt die Internet-Community auf den Plan, weil vieles unklar ist und der Interpretationsspielraum bei einigen Passagen demokratiegefährdend groß ist. So werden durch ACTA die Internetanbieter haftbar gemacht, wenn Inhalte im Netz illegal sind. Um dem zu entgehen, müssten die Provider, also Private, Überwachungs- und Zensurmaßnahmen setzen.

Die betroffenen Industrien (Unterhaltungs- und Softwareindustrie sowie Pharmabranche) „wurden über den aktuellen Stand der Verhandlungen unterrichtet und hatten Zugang zu den Dokumenten“, kritisiert die Plattform LobbyControl , „wohingegen die Öffentlichkeit und die Parlamente im Unklaren gelassen wurden.“ Marco Schreuder, grüner Bundesrat, fürchtet, dass eine Büchse der Pandora geöffnet würde: „ACTA wurde ausschließlich von Verwerter-Gesellschaften und -Lobbys außerhalb jeglicher Transparenz verhandelt. Nicht beteiligt war die Öffentlichkeit, Provider-Vertreter und Datenschützer. Das ist undemokratisch.“

Das BZÖ lehnt auf KURIER-Anfrage ACTA ebenso als „unnötigen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger“ ab, während die SPÖ „die Besorgnisse der Bürger sehr ernst“ nehmen und „den Text des Abkommens kritisch analysieren“ will. Auch die ÖVP gibt sich eher vage und will sich „für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums und dem Schutz der Privatsphäre sowie der Freiheit des Internets einsetzen“. Die Unentschlossenheit der Regierungsparteien spiegelt sich auch darin wider, dass zwar der Ministerrat ACTA abgesegnet hat, alle beteiligten Ministerien sich aber jetzt für unzuständig erklären (der KURIER berichtete).

Das Ausmaß des Protests – 1,8 Millionen Menschen haben eine Online-Petition gegen den Pakt unterzeichnet – haben Europas Politiker offensichtlich unterschätzt. Polen, Tschechien und Lettland haben die Ratifizierung von ACTA mittlerweile ausgesetzt. Auch Deutschland gönnt sich eine Nachdenkpause. Dass der abschließende Vertragstext veröffentlicht wurde, maßgebliche Zusatzprotokolle aber unter Verschluss bleiben, erhöht eben nicht gerade das Vertrauen.

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