In den Ambulanzen wird es enger

AKH Wien,AKH
Zahl der Patienten steigt stetig an. Viele davon wären in Ordinationen besser aufgehoben.

Wie überfällig die Reform des Gesundheitssystems ist, zeigt sich an den Notfallambulanzen der heimischen Spitäler. Hier drängen sich die Patienten immer dichter.

In den Ambulanzen wird es enger
Besonders augenscheinlich ist das in Wien, wie die aktuellen Daten des Krankenanstaltenverbunds (KAV) belegen. Demnach gab es allein in seinen Spitälern im Vorjahr 116.127 Besuche ambulanter Patienten in den Erstversorgungen, also in der Notaufnahme. Zum Vergleich: 2005 waren es erst 84.098 (siehe Grafik). Nicht eingerechnet ist dabei Wiens größtes Spital: Das AKH kam 2012 auf 68.665. Hier haben sich die Zahlen nach einem sprunghaften Anstieg zuletzt allerdings stabilisiert.

„Wir bauen deshalb die Erstversorgung aus“, sagt KAV-Generaldirektor Wilhelm Marhold. Soll heißen, dass mehr Personal in den Ambulanzen eingesetzt wird.

Dazu ist man gezwungen, obwohl etwa die Hälfte der Patienten in den Notfallambulanzen streng genommen fehl am Platz ist. „50 Prozent von ihnen werden nur ambulant versorgt und nicht stationär aufgenommen“, rechnet Marhold vor. Mit anderen Worten: „Sie hätten ohne Weiteres auch in Ordinationen von niedergelassenen Ärzten versorgt werden können.“

In den anderen Bundesländern ist die Situation kaum anders. Die Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH (Tilak) etwa verzeichnet bei den Ambulanz-Frequenzen ein jährliches Plus von zehn Prozent. 2011 waren es sogar 15 Prozent. Und auch in der Steiermark steigen die Zahlen zwar nicht so dramatisch, aber dennoch stetig an. Starke Zuwächse gibt es bei den Frequenzen der unfallchirurgischen Ambulanzen in Niederösterreich: Von 463.780 im Jahr 2009 auf 519.247 im Jahr 2011.

Öffnungszeiten

Besonders hoch ist der Andrang in Wiens Ambulanzen naturgemäß wochentags ab 16 Uhr und von Freitag am späten Nachmittag bis Montag in der Früh, sagt Marhold. Eine der Ursachen ist ein altbekanntes Problem: Die Öffnungszeiten der Arztordinationen.

Das ist aber längst nicht der einzige Grund, warum die Ambulanzen eine so hohe Anziehungskraft ausüben: Während man im niedergelassenen Bereich oft gleich mehrere Termine bei verschiedenen Fachärzten in Kauf nehmen muss, bietet das Spital eine umfassendere Versorgung unter einem Dach an.

Was gerade in Wien eine Rolle spielt: Patienten mit Migrationshintergrund gehen generell lieber in die Ambulanz als zum niedergelassenen Arzt. „Vielen Migranten fehlt einfach das Netzwerk, um zu einem Arzt zu gelangen, dem sie vertrauen können“, sagt der Wiener Allgemeinmediziner Hans-Joachim Fuchs. „Daher gehen sie lieber gleich auf die Ambulanz ins AKH, auch wenn sie eigentlich bei einem Allgemeinmediziner besser aufgehoben wären.“

Welche Lösungsansätze gibt es für dieses Missverhältnis in den Patientenströmen? Im Gesundheitsministerium setzt man auf die geplante Gesundheitsreform: „Künftig werden sich Länder, Bund und Sozialversicherung gemeinsam ansehen, wie die medizinische Versorgung und Struktur in den einzelnen Regionen aussehen“, sagt ein Sprecher. Die Bereiche Spitäler und niedergelassene Arztordinationen werden – so lautet zumindest der Plan – künftig gemeinsam geplant und gesteuert.

Auch der weitere Ausbau von Gruppenpraxen soll die chronisch überfüllten Ambulanzen entlasten. Sie können den Patienten großzügigere Öffnungszeiten anbieten.

Verweildauer im Spital sinkt stetig

Wiener Verbund Insgesamt sind im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) elf Spitäler, elf Geriatriezentren und drei Pflegewohnhäuser zusammengefasst. Mehr als 31.000 Menschen sind im KAV beschäftigt.

Patienten Pro Jahr werden in den KAV-Spitälern rund 400.000 Patienten stationär aufgenommene Patienten betreut. Die Verweildauer sinkt stetig: Von 7,4 Tagen (2007) auf aktuell 7 Tage.

In den Ambulanzen wird es enger
Zdravko Zavisic
Mir ist um die Mittagszeit schwindelig und schwarz vor Augen geworden. Deshalb bin ich ins Donauspital gefahren“, erzählt Zdravko Zavisic. Mit einem Freund sitzt er Freitagnachmittag mit 30 anderen Patienten und deren Angehörigen im gut gefüllten Warteraum der Notfallambulanz. Er wartet auf seine Untersuchung.

Solche Patienten trifft man in der Notfallambulanz des Donauspitals oft an, sagt der Stationsarzt. Im Schnitt werden hier rund 100 Patienten jeden Tag behandelt. „Bis zur Hälfte von ihnen“ könnten genauso gut von einem niedergelassenen Arzt in einer Ordination versorgt werden, erzählt der Mediziner.

Keine Sprechstunde

Zavisic wollte nach dem Schwindelanfall zu jenem Praktiker gehen, der ihm vor zwei Tagen zu hohe Cholesterinwerte bescheinigt hat. „Aber der Arzt hat bereits um elf Uhr zugesperrt“, sagt der 30-Jährige. Das Donauspital war für ihn die nächstgelegene Alternative.

In den Ambulanzen wird es enger
Erika Lieser
Auch Erika Lieser wäre zu ihrer Ärztin in die Ordination gegangen. Aber sie konnte nicht mehr warten, bis die Sprechstunde beginnt. „Ich habe die ganze Nacht starke Kopfschmerzen und Kreuzschmerzen gehabt. Die Sprechstunde meiner Ärztin hätte um 10 Uhr begonnen. Aber ich konnte die Schmerzen nicht mehr aushalten.“

Ihr Mann brachte sie in der Früh in die Notfallambulanz. Als der KURIER sie traf, saß sie bereits fünf Stunden im Warteraum, um auf die Labortests zu warten.

„Das ist natürlich ein Vorteil im Spital, dass man gleich alle Untersuchungen macht und Ergebnisse bekommt. In der Ordination hätte es viel länger gedauert, vor allem heute, am Freitag“, sagt sie.

Diese „Patientenfreundlichkeit“ lockt viele Menschen in die Notaufnahmen, vermutet der Stationsarzt. Im Spital sei man nicht wie in einer Ordination an die Öffnungszeiten gebunden. Dazu kommt, dass „wir Patienten gleich komplett untersuchen können“ und das Warten auf die Ergebnisse dauert nicht so lange, wie in einer Ordination, sagt der Mediziner.

Dafür nehmen viele auch meist sehr lange Wartezeiten in Kauf. Aber 90 Prozent der „zu Fuß kommenden Patienten“ werden nach der Untersuchung und Versorgung wieder nach Hause geschickt“, erzählt der Arzt.

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