Der Ausziehzwang

Eine muslimische Schülerin der Vigeliusschule in Freiburg sitzt am Dienstag (23.06.2009) im Westbad in Freiburg in einem Ganzkörper-Badeanzug am Rande des Schwimmbeckens. Um die Teilnahme muslimischer Schülerinnen am Schwimmunterricht zu ermöglichen schaffte die Lehrerin der Vigeliusschule die schwarzen Ganzkörperanzüge an. Immerhin zehn Schülerinnen aus verschiedenen Klassen bestreiten den Schwimmunterricht im sogenannten "Burkini". Foto: Rolf Haid dpa/lsw (Zu lsw-KORR "Im Ganzkörperdress zum Schwimmunterricht") +++(c) dpa - Bildfunk+++

Ausgerüstet mit schusssicherer Weste und Schlagstock umringen vier Polizisten eine in Nizza am Strand kniende Frau und zwingen sie dazu, ihre türkise Tunika auszuziehen (der KURIER berichtete). Die verstörenden Bilder von dem Vorfall verbreiten sich derzeit im Internet. Seit vergangener Woche ist es muslimischen Frauen verboten, in Nizza einen Burkini zu tragen. Ein solches Verbot gibt es bereits in 14 weiteren französischen Städten. Dadurch werden jene Frauen, die vor einem Anziehzwang geschützt werden sollen, nun mit einem Ausziehzwang bestraft.

Oder besser gesagt gedemütigt, denn die Frau trug streng genommen nicht einmal einen Burkini, sondern ein Kopftuch, Leggings und Tunika. Doch um den Eindruck entstehen zu lassen, man habe die Terror-Situation unter Kontrolle, scheint derzeit jedes Mittel recht. Diskutiert und beschlossen werden diese Maßnahmen vorwiegend von situationselastisch feministischen Männern, die unter dem Deckmantel von Frauenrechten ihre eigene politische Agenda verfolgen. Und diese lautet, die populistische Stimmung gegen den Islam für sich zu nutzen.

Das geht so weit, dass diese Männer neuerdings trotz Verschleierung zu wissen glauben, wie sich eine Frau unter eben dieser fühlt. Aufgrund dieser Annahmen wird dann sogar die Befürwortung von Verboten ausgesprochen. Erst vor wenigen Tagen sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, dass er ein Verbot von Burka und Niqab im öffentlichen Raum für gerechtfertigt hält. Die Aussage stützte Schieder auf sein Gefühl, die Frauen würden sich darunter vor allem in der Gluthitze des Sommers, wenn der Mann in Badeschlapfen vorneweg marschiert, nicht sehr wohl fühlen.

Doch letztlich bestimmt nicht die Religion, sondern das Partriarchat über Frauen. Egal, ob man einer Frau nun vorschreibt sie solle etwas an- oder ausziehen: Sie darf nicht selbst entscheiden, was sie trägt. Anstatt dieses Recht aber zu verteidigen, verwenden Männer das Argument, dass Männer Frauen nicht vorschreiben sollen, was sie anziehen, um ihnen gleichzeitig vorzuschreiben, was sie ausziehen müssen. Damit wird wiederum nur die eigene Vorstellung davon verteidigt, wie sich Frauen zu verhalten oder kleiden haben.

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