Cate Blanchett: "Bühne ist Aphrodisiakum"

Cate Blanchett: "Bühne ist Aphrodisiakum"
Der KURIER traf den Hollywood-Star zum Gespräch. Blanchett ist in "Groß und klein" von Botho Strauss bei den Wiener Festwochen zu sehen.

Ihr könnte man auch beim Kartoffelschälen zusehen: Cate Blanchett, Topstar in Hollywood, hatte im Renaissance-Drama "Elizabeth" (1998) ihren Durchbruch und bekam für ihre Darstellung von Katharine Hepburn in Martin Scorseses Film "Aviator" 2005 einen Oscar in der Kategorie "Beste Nebendarstellerin". Aber ihre wahre Leidenschaft ist das Theater.

KURIER: Jeder kennt Sie als Filmschauspielerin. Welchen Stellenwert hat die Bühne in Ihrem Leben?

Cate Blanchett: Nicht Theater zu spielen, ist für mich unvorstellbar. Ich komme ja ursprünglich vom Theater. Und es ist mein Aphrodisiakum, obwohl ich mir nach jeder Produktion sage: "Es reicht, das war’s, nie wieder!

Dann machen Sie  weiter?

Ja. Es ist wie eine Sucht. Dabei wird es immer schlimmer! Am Anfang hatte ich ja nichts zu verlieren. Aber je bekannter man ist, desto größer ist auch das Risiko. Es ist wie im Spielcasino. Ich muss immer alles auf eine Karte setzen.

Also immer mit Risiko?

Sicher. Man muss die Möglichkeit des Versagens als Teil des Spiels akzeptieren. Ich sage jedes Mal, bevor es mit einem Projekt losgeht, zu meinem Mann: "Ich habe keine Ahnung, wie ich das spielen soll."

Jetzt verkörpern Sie in "Groß und klein" Lotte, eine Außenseiterin: Ist sie ein Engel oder eine Frau, die den Verstand verloren hat? Ist sie verrückt oder ist es die Gesellschaft, in der sie lebt?

Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Für mich ist Lotte ein weiblicher Candide: sanftmütig, arglos, naiv. Das Stück ist sehr vielschichtig.

Martin Crimp hat es übersetzt ...

Sehr präzise, sehr prägnant, sehr rhythmisch in die Sprache von heute. Er hat viele frische Klangfarben hineingebracht.

Wie bereitet man sich auf so eine Rolle vor?

Der einzige Weg ist, vollkommen offen zu sein. Meine Aufgabe als Schauspielerin ist es, mich mit ganzem Herzen auf eine Figur, ihre Gefühle und ihre Situation einzulassen. Man muss alles in sich selbst finden, und am Ende muss alles wie selbstverständlich erscheinen.

Stimmt es, dass man Ihnen, um im Film "I’m Not There" als Bob Dylan überzeugend zu sein, etwas in Ihre Hose gesteckt hat?

Ja. Eine Socke. Das half mir, wie ein Mann zu gehen, Aber schon auf der Highschool habe ich im Theater oft Männer gespielt. In meiner Punk-Phase hatte ich sogar immer den Kopf rasiert.

In "Groß und klein" sind die weiblichen Zuschauer gleich zu Beginn ganz aus dem Häuschen. Offenbar erkennen die in der Körpersprache einen Girlie-Typ?

Ja, ich hatte schon beim Gastspiel in Paris das Gefühl, dass vor allem Frauen sehr stark darauf reagieren, was auf der Bühne passiert.

Wie anstrengend ist es, rund zweieinhalb Stunden fast ununterbrochen auf der Bühne zu stehen?

Alles halb so schlimm. Ich empfinde es eher als störend, wieder von der Bühne zu gehen. Wir haben sogar einmal darüber diskutiert, ohne Pause durchzuspielen.

Am Punkt der größten Verzweiflung fragt sich Lotte unter Tränen: "What will I do when the music stops?" Was würden Sie tun, wenn das Leben "Rien ne va plus" sagt?

Das frage ich mich jeden Abend. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich einfach nur hinaus in den Garten gehen und die Bäume und den Himmel betrachten.

Warum haben Sie zuletzt viele Filmangebote abgelehnt? Weil Sie mit Ihrem Mann seit 2007 die Sydney Theatre Company,, Australiens größtes Theater, leiten?

Ja. An dem Theater hatten wir beide unsere ersten Jobs. Wir machen das noch bis Ende 2013. Da ist über die Jahre ein Team und ein Gemeinschaftsgefühl entstanden.

Anders als beim Film?

Beim Film arbeitet man ein paar Wochen oder Monate sehr intensiv miteinander, aber danach löst sich alles wieder komplett auf.

Hollywood fehlt Ihnen nicht?

Nein. Solange man dort die Arbeit in den Vordergrund stellt, kann man tolle neue Dinge erleben und die unglaublichsten Erfahrun­gen machen. Aber Ruhm ist gefährlich und riecht rasch ein bisschen seltsam.

Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen?

Langweilig. Ich möchte kein Hollywoodstar-Leben führen. Ich bringe die Kinder zur Schule und hole sie wieder ab – wie andere Leute auch. Und manchmal helfe ich in der Schulküche.

Was war für Sie der Höhepunkt in den letzten Jahren?

Meine Kinder. Die drei Buben bedeuten mir mehr als jeder Oscar. Ich bin so froh, dass ich sie habe. Sie haben mein Leben total verändert, wie ich es mir vorher nie erträumt hätte.

Und der Tiefpunkt?

Mein permanenter Schlafmangel.

Was ist Ihre größte Sorge?

Der Klimawandel. Deshalb haben wir nicht nur unser eigenes Haus in Sydney ökologisch umgerüstet, sondern auch das Theater mit einer Solaranlage und einer Regenwasser-Recycling-Anlage ausgestattet.

Woody Allen möchte Sie – und Bradley Cooper – für seinen nächsten Film. Ein ver­lockendes Angebot?

Sicher. Wir haben schon miteinander gesprochen. Aber ich weiß noch nicht, ob sich das ausgehen wird.

Tom Tykwer, in dessen Film "Heaven" Sie eine Terroristin spielten, hat Sie einmal so charakterisiert – und ich nehme an, es war ein Kompliment: "Cate Blanchett ist der Eisberg, der auf die Titanic wartet."

Wirklich, das sagte Tom? Das wusste ich nicht. Aber vielleicht meinte er die Katastrophen-Frau in mir.

Psychogramm: Eine große Einsame

Stück "Groß und klein" (1978) von Botho Strauß, thematisiert die Suche nach menschlichem Kontakt in der Welt von heute.

Wann & Wo 12., 13. und 15. bis 20. 5.. MuseumsQuartier, Halle E Karten  01/589 22 11 www.festwochen.at

Hommage "Cate Blanchett. Eine filmische Hommage" läuft im Gartenbaukino (13. bis 20. 5.)

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