Viggo Mortensen: "In Wien vermutet mich keiner"

Ab kommendem Freitag im Kino: Viggo Mortensen in "Captain Fantastic"
Ein ungewöhnlicher Filmstar: Viggo Mortensen ist Dichter, Fotograf, spricht Dänisch und malt.

Der 57-jährige Schauspieler Viggo Mortensen lebt den überwiegenden Teil des Jahres in Madrid – als Dichter, Fotograf und Maler. Er tut alles, um von seinem Image als Hollywood-Star abzulenken. Er will privat weder als leuchtender Held aus der "Herr der Ringe"-Trilogie und schon gar nicht als der "eiskalte Engel" wahrgenommen werden, den er in mehreren Filmen verkörperte – wie etwa in David Cronenbergs "History of Violence", oder in "Die zwei Gesichter des Januars", in dem er einen Frauenmörder spielt.

Eigenwillig

Wegen seiner kommerziellen Erfolge reißen sich Produzenten und Regisseure um ihn, doch der bedachte Schauspieler wählt seine Rollen höchst eigenwillig und nimmt – ungeachtet von Gagen und einer möglichen Vermehrung seines Ruhms – nur Rollen an, die ihn interessieren. Wie in "Hidalgo – 3000 Meilen zum Ruhm", oder "Tödliche Versprechen – Eastern Promises", für die er eine Golden-Globe- und eine Oscar-Nominierung in der Kategorie "Bester Hauptdarsteller" erhielt.

In Hollywood ist Mortensen deshalb als komischer Kauz verschrien. Als Sohn eines dänischen Geschäftsmannes und einer Amerikanerin kann Viggo Mortensen bei Rollenangeboten auch in puncto Sprachen wählerisch sein. Mit seiner Familie zog er ständig um und lebte in Argentinien, Venezuela, Dänemark und Schweden. Vielleicht etwas zu viele Umzüge für ein Kind – aber mit dem Vorteil, dass Viggo heute fließend Englisch, Spanisch, Dänisch, Französisch, Italienisch beherrscht und Schwedisch und Norwegisch zumindest akzentfrei sprechen kann.

Als er elf Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden und die Mutter zog mit den drei Söhnen nach New York. Nach seinem Uniabschluss in Politik und Spanisch ging Viggo zurück nach Europa, wo er den Entschluss fasste, Schauspieler zu werden. Für die Paraderolle des Aragorn in Peter Jacksons "Der Herr der Ringe" sollte Viggo Mortensen quasi in letzter Sekunde für einen anderen Schauspieler einspringen.

Eigentlich wollte er den Part gar nicht annehmen, doch sein Sohn Henry, der ein großer Fan der Bücher war, überredete ihn schließlich doch. Inzwischen sprang er noch einmal für einen anderen Schauspieler ein: Unter den Regie von David Cronenberg übernahm Viggo in "Eine dunkle Begierde" die Rolle des Wiener Psychiaters Sigmund Freud, für die ursprünglich Christoph Waltz vorgesehen war.

Freies Leben

In seinem neuesten Film "Captain Fantastic", der auf dem Sundance Festival und in Cannes Kritiker und Publikum begeistern konnte, spielt er einen Vater, der seine Kinder mit unkonventionellen Mitteln auf ein freies Leben vorbereiten will. Im Interview zeigt sich Mortensen als Mensch, der gerne lacht.

KURIER: Ich habe vom Produzenten von "Eine dunkle Begierde" gehört, dass Sie mehrmals auf eigene Kosten in Wien waren, um sich auf Ihre Rolle als Sigmund Freud vorzubereiten. Wie ist es Ihnen gelungen, dabei unerkannt zu bleiben?

Viggo Mortensen: Mir kann keiner erzählen, dass es unmöglich ist, nicht erkannt zu werden – nur weil man in ein paar Filmen gespielt hat! Es kommt immer auf das eigene Verhalten und auf die Umstände an. Wenn ich durch Cannes gehe und jemand denkt sich: "der schaut dem Viggo Mortensen ähnlich", dann kann er auch erwarten, dass ich es wirklich bin – vor allem, wenn gerade Filmfestspiele sind. Aber in Wien vermutet mich keiner. Und außerdem kommt es sehr darauf an, wie man sich gibt. Wenn man – wie manche meiner Kolleginnen und Kollegen – eine auffällige Sonnenbrille aufsetzt und dann noch dazu durch sein Gehabe signalisiert: Seht her, ich bin berühmt, aber ich will nicht erkannt werden!, dann braucht man sich wundern, wenn die Leute aufmerksam werden. Wahrscheinlich wollen das die meisten auch.

Sie sind nicht in den sozialen Medien zu finden – zumindest nicht in öffentlich zugänglichen. Was halten Sie davon?

Das Leben ist zu kurz, um die Zeit am Computer zu verschwenden. Ich will nicht über andere urteilen – aber irgendwie finde ich Leute, die ständig mit ihren Handys telefonieren, im Internet surfen und SMS schreiben, während sie Auto fahren oder über eine Straße gehen, sehr problematisch. Und ich denke mir: "Passt doch auf! Wollt ihr denn schon sterben?"

Haben Ihre Wien-Besuche Ihren Erwartungen entsprochen?

Ich wollte wissen, wie sich die Stadt anfühlt, in der Sigmund Freud gelebt hat. Ich habe mir auch alle Museen angesehen und ein paar Bücher gekauft, die ich gut für das Studium der Rolle verwenden konnte. Wien hat mir wirklich sehr gut gefallen – deshalb bin ich auch mehrmals gekommen.

Um vom Freud’schen Psycho-Striptease zu Ihren physischen Nacktszenen zu kommen – Sie waren in "Tödliche Versprechen" beim hüllenlosen Nahkampf zu sehen und Sie zeigen sich auch in "Captain Fantastic" einmal splitternackt. Unter welchen Umständen akzeptieren Sie solche Szenen?

Ich frage den Regisseur und mich selbst immer vorher: drückt meine Nacktheit etwas aus, das man nicht auch bekleidet und durch Worte sagen kann? In "Tödliche Versprechen" war es eine "Knast-Biografie", die ich auf meiner nackten Haut zur Schau stelle. Denn der Figur, die ich darstelle, wurde für jedes überlebte Gefängnis ein Zeichen in die Haut tätowiert. Wenn sich also in diesem Film Männer unbekleidet zeigen, im Dampfbad oder im Bordell, dann kann jeder sehen, wer die dunklere Vergangenheit hat. In "Captain Fantastic" ist die Lage völlig anders. Ich zeige mich darin als Vater meinen Kindern nackt, um das völlig natürliche, unverklemmte Miteinander dieser Familie zu demonstrieren. Meine Film-Eltern – also die Großeltern der Kinder – sind von dieser Nacktheit völlig schockiert und es war mir wichtig, auch das zu zeigen. Denn in den USA kann man in Film und Fernsehen zwar jeden "jugendfrei" umbringen, aber wehe, man entblößt sich.

Sie haben aus Ihrer ersten Ehe einen Sohn. Wie sind Sie im wirklichen Leben als Vater?

Grundsätzlich möchte ich einmal sagen, dass die Menschen, die ich spiele, nur sehr am Rande etwas mit mir zu tun haben. Aber diesen ungewöhnlichen Vater habe ich gerne gespielt. Was meinen – inzwischen erwachsenen – Sohn betrifft: Ich bin immer in Sorge, dass es ihm gut geht – und mit dem Alter wird diese Sorge nicht geringer. Im Gegenteil, denn schließlich weiß man ja nie, wie lange man noch für die Kinder da sein kann.

Von Gabriele Flossmann

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