Tim Fischer: Chansons im Theater Akzent

Tim Fischer: Chansons im Theater Akzent
Kritik: Entertainer Tim Fischer singt in "Satiriker sind keine Lyriker" anspruchsvolle politische, teils sperrige Lieder von Gerhard Woyda.

Das Chamäleon der Chansonkunst hat sich erneut verwandelt: Tim Fischer singt nach seiner Leander-Hommage "Zarah ohne Kleid" und hinreißenden Interpretationen der Lieder von Georg Kreisler und Hildegard Knef in "Satiriker sind keine Lyriker" Lieder von Gerhard Woyda. Der fast 87-jährige Gründer des Renitenz-Theaters in Stuttgart und frühe Mentor von Fischer teilt sich live im Theater Akzent mit Rainer Bielfeldt den Part des Klavierbegleiters.

Das anspruchsvolle Programm eines Paradiesvogels und eines liederdichtenden Theatergründers ist ausgesprochen politisch, teilweise sperrig. „Satiriker sind keine Lyriker, sie schlagen dir die Wahrheit ins Gesicht“, heißt es zu Beginn. "Es bebt die Republik." Sang Fischer früher mit Inbrunst von libidinösen Verwicklungen, verlorenen Illusionen und gefährlichen Liebschaften, von Leid und Freud in Herz und Lotterbett, so sind seine Texte jetzt in der Tradition von Brecht und Weill scharf und bissig, böse und brandaktuell.

Diesmal keine Diva

Zunächst fehlt alles Schrille und Schräge. Fischer gibt den Zocker im Börsenfieber. Und am Ende? Da steht der Tod, und man frage sich vergebens nach dem Sinn des Lebens. Die Themen seiner in Ironie getunkten Miniaturen sind die Atomkraft, Kindesmissbrauch, Frauen, die mit dem Kopftuch verheiratet sind, Angela Merkels Hosenanzüge, die Finanzkrise ...

Da besingt der Selbst­mörder sehnsuchtsvoll seine Pistole. Ein schon 16-Jähriger verliebt sich in eine erst 60-Jährige. Und beim Veräppeln von Berlusconi im Stil eines heiteren Italo-Schlagers ist Tim Fischer wieder ganz der kokett zwinkernde Schelm mit lässigem Hüftschwung. Bittere Wahrheiten sind, nostalgisch vertont, leichter zu ertragen: "Komm nach Guantanamo, dort wirst du deines Lebens froh, denn in Guantanamo, lebst du frei haus, es kräht kein Hahn nach dir, du kommst nicht raus". Das Klavier spielt dazu Mambo. Flott und beschwingt.

Dann fallen so schöne Sätze wie "Ich liebe menschenleere Straßen, in denen noch die Wut des Tages klebt." Und "Wanderer zwischen den Welten, Wanderer zwischen der Zeit" ist ein Loblied auf ein Leben zwischen festgefügten Erwartungen. Bei der Zugabe – "Ich hasse Blumen" – zerfetzt Fischer einen Blumenstrauß. Er kann auf der Bühne "das Schwere leicht, das Hässliche schön, das Unmögliche möglich und das Surreale real werden lassen". Woher er das hat? Bei Georg Kreisler hat er’s gelernt, wie er in dessen Nachruf schrieb. Und uns unterhält’s.


KURIER-Wertung: **** von *****

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