Wagners Wiener Wunschkonzert

Der Künstler und sein Wiener Kritiker: Eduard Hanslick (links) weist Wagner zurecht. Schattenbild aus der Schau "Richard Wagner und die Wiener" in der Nationalbibliothek.
Start ins Jubeljahr mit dem Bayreuther Skandal-Auslöser Evgeny Nikitin.

Das lustigste Detail gleich vorweg: Richard Wagner hieß für einige Jahre Richard Geyer. Das ist aber wohl nicht der Hauptgrund, warum sein diesbezüglicher Namensvetter R. Geyer, der Intendant des Theaters an der Wien, das erste große Wagner-Konzert dieses Jahres veranstaltet.

Wagner, der vor 200 Jahren geborene Jahresregent, wurde 1817 als Richard Geyer eingeschult. Erst 1827, in der Nikolaischule in Leipzig, hieß er dann wieder Wagner. Der Grund für die Geyerisierung war der frühe Tod seines Vaters und die Hochzeit seiner Mutter Johanna Rosine mit dem Schauspieler und Dichter Ludwig Geyer, der wiederum 1821 starb.

Bayreuther Maestro

Nun wird das Wiener Wagner-Jahr im Theater an der Wien – nach dem Vorspiel zum dritten „Lohengrin“-Aufzug beim Neujahrskonzert – de facto offiziell eröffnet. Das Konzert nennt sich „Wagner 1863“ und findet heute, Samstag, statt. Aber warum ausgerechnet an der Wien, das ja für ein völlig anderes Repertoire steht?

Wagners Wiener Wunschkonzert
APA5835542-2 - 10112011 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer, am Donnerstag, 10. November 2011, während eines PG anl. der Uraufführung von "Gogol" im Theater an der Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
R. Geyer, also der Roland, stieß im Sommer 2011 bei Recherchen in seinem Theater auf Programmzettel aus 1862 und 1863. „Ich traute meinen Augen nicht“, sagt er zum KURIER. Wagner selbst hat demnach drei Mal an der Wien dirigiert, am 26. Dezember 1862, am 1. sowie am 11. Jänner 1863.

Er leitete ein aus 80 Musikern bestehendes Hofopernorchester, also Musiker, die ein paar hundert Meter entfernt gerade an seinem „Tristan“ gescheitert waren. Das ist ja bis heute das größte Versäumnis der Wiener Oper: Dass die Uraufführung von Wagners „Tristan und Isolde“ nach 77 Proben in Wien abgesagt wurde und stattdessen in München stattfand.

Um aber seine Musik dennoch in Wien vorzustellen, ließ Wagner an der Wien Teile aus den „Meistersingern“, „Rheingold“, „Walküre“ und „Tannhäuser“ spielen. Diese Konzerte werden nun an diesem Ort rekonstruiert. Allerdings nicht von einem Opernorchester, wie es heute bei Wagner-Werken im Graben sitzt, sondern von den Musiciens du Louvre Grenoble unter der Leitung von Marc Minkowski, die auf Instrumenten aus der Zeit von 1840 bis 1860 spielen. „Wenn wir in diesem Theater Wagner aufführen, dann soll das ein einzigartiges Hörerlebnis sein – so wie damals“, sagt Geyer.

Wagners Wiener Wunschkonzert
epa03313246 (FILE) A file picture dated 08 June 2012 shows Russian bass-baritone Evgeny Nikitin sitting in a hotel room in Berlin, Germany. Nikitin has cancelled his performance as 'Dutchman' only a few days before the opening premiere at the Bayreuth Festival 2012 because of chest tattoos depicting among others the controversial swastika symbol, according to media reports on 21 July 2012. EPA/CLAUDIA LEVETZOW
Bei diesem Konzert, 200 Jahre nach der Geburt des Bayreuther Meisters und 150 Jahre nach seinen Auftritten im Theater an der Wien, ist auch ein Gesangssolist bemerkenswert: Evgeny Nikitin. Das ist jener russische Bassbariton, der 2012 seine Rolle als „Fliegender Holländer“ in Bayreuth wegen Nazi-Tattoos aus seiner Zeit als Heavy-Metal-Schlagzeuger zurücklegen musste. Es ist sein erster Auftritt in Österreich seit diesem Vorfall und sein zweiter im Theater an der Wien: Dort war er 2007 bei einem Gastspiel des Mariinsky-Theaters unter Valery Gergiev der Eugen Onegin. Geyer: „Ich habe diese Tattoos damals gar nicht bemerkt. Aber nach Bayreuth habe ich überprüft, ob es in den vergangenen Jahren irgendwelche Kontakte von ihm zur Neonazi-Szene gab. Da war nichts zu finden. Er hat sich auch im Sommer entschuldigt. Also gab es für Minkowski und mich keinen Grund, den Vertrag mit Nikitin, der davor abgeschlossen wurde, zu kündigen.“

2015 dirigiert Minkowski an der Wien eine Neuproduktion des „Fliegenden Holländer“. Nicht auszuschließen, dass Nikitin da singt, wozu es in Bayreuth nicht kam.

Bücher zum Wagner-Jahr

Ein Meister über Bayreuths Meister

Wagners Wiener Wunschkonzert
Christian Thielemann ist für viele Opernliebhaber der beste Wagner-Dirigent unserer Zeit. In diesem Buch erzählt er selbst von seiner Liebe zur Wagner-Musik, den Anfängen seiner Karriere, seine Auftritt in Bayreuth und über vieles mehr. Nachzuhören auch auf einem Hörbuch, fabelhaft gelesen von Ulrich Tukur.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Eine Biografie für Einsteiger

Wagners Wiener Wunschkonzert
Der Autor Walter Hansen ist Schriftsteller in München und dieses nicht sein erstes Buch über Richard Wagner. Für Einsteiger ist diese Biografie jedenfalls ideal. Sie erfahren viel über Wagner Kindheit bis hin zur Gründung der Bayreuther Festspiele. Auch die Skurrilität von Wagners Leben und die Exzentrizität werden spürbar.

KURIER-Wertung: **** von *****

Zwischen Genie und Wahnsinn

Wagners Wiener Wunschkonzert
Barry Millington ist Musikkritiker in London. Er hat schon sieben Wagner-Bücher veröffentlicht. Dieses beschäftigt sich primär mit Wagners Werk, vieles davon ist unterhaltsam geschrieben. Wagners Antisemitismus und der Rolle seiner Opern in der Nazi-Zeit werden eigene Kapitel gewidmet. Viele historische Bilder.

KURIER-Wertung: **** von *****

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